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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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gezeigt.«
    »Wirklich?«
    »Sie hat die Widmung angeschaut und gesagt, dass wir wirklich gute Freunde sein müssten.«
    »Sind wir doch auch. Vielleicht kannst du ihr von den Kolibris erzählen, den echten …«
    »Mach ich«, sagte Nell. »Du fehlst mir.«
    »Oh, du fehlst mir auch, Nell.«
    Sie verstummten. Stevie fragte sich, ob Jack neben ihr stand.
    »Ich wünschte, ich wäre wieder in Hubbard’s Point«, sagte Nell.
    »Den Strand wird es immer geben, Nell. Er ist auch dann noch da, wenn du zurückkommst.« Stevies Augen füllten sich mit Tränen.
    »Ich weiß.«
    »Vergiss nicht, mir weiterhin deine Beachgirl-Berichte zu schicken. Sie sind fantastisch.«
    »Ich verspreche es. Sind sie wirklich wichtig?«
    »Und ob«, versicherte Stevie. Wieder trat Schweigen ein, zog sich hin, dann verabschiedete sich Nell leise und legte auf.
    Stevie ließ sich auf das Kopfkissen sinken, den Hörer in der Hand. Das Freizeichen klang in ihren Ohren. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie Nell beinahe vor sich sehen: die grünen Augen, die kurzen braunen Haare, das breite Lächeln. Und Jack, wie er hinter Nell den Hügel hinaufstapfte, auf dem Weg zu ihr. Sie glaubte, die Stimmen der beiden zu hören …
    Aber es war nur das Freizeichen. Seltsam war, dass sie sich nach dem Anruf noch einsamer fühlte. Sie dachte an die Worte ihrer Tante: Nimm die Gefühle an, solange sie währen. Sie kamen ihr fast unerträglich vor.
    Tilly lag reglos da, traumverloren. Stevie schloss die Augen, versuchte den Klang von Nells Stimme zu bewahren, die sie gerade erst vernommen hatte, und wie Jacks klang, die sie vor Wochen das letzte Mal gehört hatte. Doch die Stimmen waren bereits verklungen …

    Jack steckte mitten in dem üblichen Trubel, der mit einem Umzug in ein fremdes Land verbunden war, musste dafür sorgen, dass Nell sich einlebte und er sich in seine neue Tätigkeit einarbeitete. Die Relocation-Abteilung von IR  – die Konstruktionsfirma war nach ihrem Gründer Ivan Romanov benannt – hatte für Jack und Nell ein Haus am Stadtrand von Inverness gefunden, im Schatten der Western Highlands. Es war ein altes Pfarrhaus aus dem siebzehnten Jahrhundert, erbaut aus Flusssteinen.
    Nells erster Eindruck hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt – sie war übermüdet gewesen vom Flug, hungrig, weil ihr das Essen im Flugzeug nicht geschmeckt hatte, und griesgrämig, weil der Wecker ihrer Armbanduhr läutete, den sie genau auf drei Uhr Nachmittags gestellt hatte – eine tägliche Erinnerung an die Zeit, als sie von Stevie und Peggy Abschied nehmen musste.
    Sie waren aus dem Flughafen-Taxi gestiegen und hatten auf dem Gehsteig vor dem kahlen imposanten grauen Herrenhaus gestanden. Obwohl im georgianischen Stil errichtet und elegant im Entwurf, besaß es den Charakter einer Behörde oder Anstalt.
    »Was soll denn das sein?«, fragte Nell leise.
    »Unser Haus.«
    Miss Dancy Diarmud, ihre Ansprechpartnerin aus der Relocation-Abteilung von IR , öffnete ihnen die Tür. Sie war ungefähr fünfunddreißig, sehr hübsch und trug ein kirschrotes Wollkostüm. Sie begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln.
    »Willkommen in Schottland, Mr. Kilvert.« Sie reichte beiden zur Begrüßung die Hand.
    »Jack«, sagte er. »Und das ist Nell.«
    Dancy lächelte und ging voran, um ihnen das Erdgeschoss zu zeigen – Wohnzimmer, Esszimmer, Salon, Kapelle, Küche, Speisekammer und ein so genanntes »Blumenzimmer« – die Frau des Pfarrers hatte hier Kränze gebunden oder Gestecke für Beerdigungen gefertigt. Nell warf Jack einen finsteren Blick zu. Obwohl es viele Räume gab, waren sie vom Ausmaß klein, mit niedrigen Decken. Es gab eine steile Treppe im vorderen Teil des Hauses, die von einer engen Diele in den ersten Stock führte, und eine Wendeltreppe im hinteren Teil, dem so genannten »Stiegenhaus«, wie Dancy erklärte, das die Küche mit dem oberen Stockwerk verband.
    Sie zeigte ihnen die Schlafzimmer – sechs insgesamt. Alle Häuser, die vermietet werden, glichen sich wie ein Ei dem anderen, dachte Jack. Wie teuer die Sofas, Betten oder Bilder an den Wänden auch sein mochten, sie wirkten seelenlos – als wäre ihnen von vornherein kein langes Leben beschieden. Wegwerfeinrichtungen, wie eine Affäre für eine Nacht. Er dachte schweren Herzens an Stevies Haus, das voller Leben war, in dem jede Handbreit ihre Persönlichkeit widerspiegelte.

    Jack war bemüht, sich in seinen neuen Arbeitsbereich zu integrieren. Die IR hatte eine Reihe

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