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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Schneckenhaus zurückgezogen, wie eine Einsiedlerin. Chris war geduldig, aber er wollte seine alte Madeleine wiederhaben – genau wie sie selbst. Sie vermisste ihr altes Ich.
    Sie saß auf dem Sofa im Sprechzimmer, Dr. Mallory nahm ihr gegenüber auf einem Stuhl Platz. Das Licht war gedämpft. Die Ärztin hielt ihre Hand hoch, zwei Finger ausgestreckt, und forderte Madeleine auf, sich darauf zu konzentrieren. Dann begann Dr. Mallory, ihre Hand rasch zu bewegen, hin und her, während Madeleine den Blick auf ihre Finger heftete.
    Diese schnelle Augenbewegung war eine Nachahmung der REM -Schlafphase. Die Ärztin erinnerte Madeleine daran, gleichmäßig zu atmen, auf die Empfindungen in ihrem Körper zu achten. Madeleine registrierte beinahe sofort Schmerzen in der Schulter, Stiche an der Seite ihres Kopfes und Brennen in der Brust und ein Gefühl, als würde Sand durch ihren Rumpf rinnen. Die Symptome wurden immer stärker, schließlich ließen sie nach; Madeleine fühlte sich völlig ausgelaugt – und dann, mit einem Mal, wie neugeboren.
    Nach der ersten Sitzung fühlte sie sich so energiegeladen und lebendig wie seit langem nicht mehr. Beim zweiten Mal verspürte sie die gleichen rätselhaften Stiche und grauenvollen Schmerzen, doch diese Sitzung endete mit einem Tränenbad und der Erinnerung, wie sie Emma mit einem Arm umfangen hatte, während ihr anderer Arm nur noch an einem Faden hing.
    Dr. Mallory erklärte ihr, dass traumatische Erfahrungen in den Körperzellen und tiefsten Regionen des Gehirns gespeichert werden – in den primitiven Sphären, jenseits des Denkens und Verstehens.
    EMDR öffnete diese verschlossenen Regionen und ermöglichte Madeleine, diese Erinnerungen ins Bewusstsein zurückzuholen – und dabei neue Erkenntnisse über ihre traumatischen Erfahrungen zu gewinnen. Wie es in dem Zeitungsartikel von Dr. Mallory hieß, besaß der Mensch – genau wie Tiere – stark ausgeprägte Flucht- oder Abwehrreaktionen. Die Zellen waren darauf programmiert, instinktiv zu reagieren – wegzulaufen, zu kämpfen oder zur Salzsäule zu erstarren, wenn Gefahr für Leib oder Leben drohte.
    Waren solche Abwehrreaktionen blockiert – Madeleine war nicht in der Lage gewesen, den von ihr verursachten Unfall zu verhindern oder Emmas Leben zu retten –, wurde die Erinnerung in jeder einzelnen Zelle des Nervensystems gespeichert, sozusagen unter Verschluss gehalten. Madeleine hatte seither ständig das Gefühl gehabt, in der Falle zu sitzen, wie gelähmt in einem Zustand der physiologischen Bereitschaft verharren zu müssen, um gegen den Unfall, der sich vor mehr als einem Jahr ereignet hatte, anzukämpfen oder zu fliehen – unfähig, ihr Leben in den Griff zu bekommen.
    Die Sitzungen förderten grauenvolle Erinnerungen zutage – an das Blut, die Schmerzen, Emmas Schreie. Sie setzten aufgestaute Wut frei – auf die Rettungsmannschaft, die so lange gebraucht hatte, um Emma aus den Trümmern zu befreien, während sie Unmengen Blut verlor, und auf Emma selbst, die Madeleine ihr Geheimnis gebeichtet und es ihr dann überlassen hatte, damit fertig zu werden.
    »Ich bekomme die Schuld für ihr Fehlverhalten«, sagte Madeleine aufgebracht. »Sie hat es mir überlassen, meinem Bruder die Wahrheit zu sagen, und nun macht er mich dafür verantwortlich – als hätte ich ihm die Suppe eingebrockt.«
    »Und, was empfinden Sie dabei?«, fragte Dr. Mallory wieder einmal.
    »Ich bin wütend … auf ihn, weil er mich zum Sündenbock macht … und mich von Nell fern hält – es ist mehr als ein Jahr her, seit ich sie zuletzt gesehen habe! Sie ist jetzt in Schottland. Sie muss ein ganzes Stück gewachsen sein, ist schon eine ganze Klasse weiter in der Schule, ich habe weder ihren Geburtstag noch Weihnachten mit ihr verbracht … ich weiß nicht, welche Musik sie inzwischen mag … welche Bücher sie liest … wer ihre Freunde sind, denen ich niemals begegnen werde …«
    »Niemals?«
    »Ich bin zu ihm gefahren. Wir konnten nicht einmal miteinander reden.«
    »Das war zumindest ein Anfang.« Die Augen der Ärztin leuchteten auf, als hätte sie eine gute Neuigkeit erfahren. »Ein erster Schritt, um die Probleme aufzuarbeiten.«
    »Die ich nicht verschuldet habe.«
    »Richtig.«
    »Ich möchte Emma aber nicht die Schuld in die Schuhe schieben …«
    »Das müssen Sie auch nicht«, erwiderte Dr. Mallory sanft. »Das Wichtigste ist Verständnis statt Schuldzuweisungen – nicht mehr und nicht

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