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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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soll ich das wissen? Du gehst doch immer weg, sobald es schön wird. Wir hatten ein richtiges Zuhause in Hubbard’s Point und hätten länger bleiben können … es hat so viel Spaß gemacht, mit Stevie Muscheln zu suchen und ins Strandkino zu gehen … wir waren richtig glücklich …«
    »Ich weiß«, sagte er, verblüfft, dass sie damit den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
    »Und was ist mit meiner Tante? Sie liebt mich, und dich, und du redest nicht einmal mehr mit ihr! Was wäre, wenn ich dir das antun würde, Dad? Wenn ich vor lauter Wut kein Wort mehr mit dir reden würde?«
    »Nell, du bist meine Tochter.«
    »Sie ist deine Schwester! So machst du es mit den Menschen, die dich am meisten lieben – du verlässt sie einfach.«
    »Ich würde dich niemals verlassen, nie im Leben …«
    Nell schüttelte schluchzend den Kopf. »Das sagst du jetzt. Aber was ist, wenn ich einen Fehler mache, der dich in Rage bringt –, hasst du mich dann genauso wie Tante Maddie?«
    »Ich könnte dich niemals hassen. Und sie hasse ich auch nicht – ich liebe sie.« Die Worte klangen in ihm nach, und ihm wurde bewusst, dass sie der Wahrheit entsprachen; er sah seine Schwester vor sich, wie sie neben ihrem Wagen in der Einfahrt des Hauses in Hubbard’s Point stand – nur drei Meter trennten sie voneinander, eine Entfernung, die genauso schwer zu überbrücken war wie eine Schlucht.
    Er starrte Nells Hinterkopf an. Sie drehte sich nicht um, nicht einmal dann, als er ihr Haar berührte.

    Das Telefon läutete. April hatte Nell durch die Wand weinen hören.
    »Als Mutter gebe ich dir einen Tipp«, meinte sie. »Videofilme wirken manchmal Wunder, wenn man jemanden bestechen will.«
    »Die Phase haben wir hinter uns.« Jack runzelte die Stirn und betrachtete Nell, die am Fenster stand, von lautlosem unterdrückten Schluchzen geschüttelt.
    Sie in diesem Zustand allein zu lassen war ihm ein Gräuel, aber ihm blieb keine andere Wahl. April, Victor und die anderen Ingenieure waren bereits bei der Arbeit. Sie vermaßen die Grenzlinien oder beobachteten, wie die Geologen weitere Gesteinsproben nahmen und Ozeanografen die mittlere Höhe über dem Meeresspiegel bei Ebbe errechneten. Jack ging zum Ufer hinunter, um sich auf einen Felsen zu setzen, seine Daten zusammenzufassen und seine Fassung wiederzugewinnen. Gleich nach der Arbeit würde er die Telefonnummer heraussuchen, die Dr. Galford ihm gegeben hatte.
    Francesca, die ihn dort entdeckte, stapfte durch den Sand. Sie fluchte, und Jack hob den Blick. Sie trug hohe schwarze Stiefel, deren Absätze einsanken. Sie sah ihn mit einem trockenen Lächeln an. Es war die erste Begegnung auf privater Ebene seit ihrer Ankunft am Vortag.
    »Ich hätte nicht übel Lust, dich ›Benedict‹ zu nennen, obwohl, Benedict Arnold ist ein Waisenknabe neben dir, du Deserteur.«
    »Du weißt doch, wenn sich eine so einmalige Chance bietet, muss man zugreifen, sonst entgeht sie einem.« Die Worte hallten in seinen Ohren nach, allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang.
    »Ivan wollte dich unbedingt haben, keine Frage. Ihm gefiel dein Projekt in Maine. Vielleicht dachte er, du würdest dich an dieser felsigen Hinterwäldlerküste heimischer fühlen.«
    Jack grinste, musterte ihre Stiefel. Francesca fühlte sich auf dem Großstadtpflaster wohler, bei einem Bummel entlang der Newbury Street in Boston, mit wippenden Haaren und Passanten, die ihr nachsahen.
    »Schon gut, schon gut.« Sie lachte. »Für mich ist das hier Notstandsgebiet. Mein Gott, wo bekommt man hier einen anständigen latte?«
    »Du wirst mit Tee vorlieb nehmen müssen.« Jack dachte an den Tee, den Stevie und Aida ihm vorgesetzt hatten …
    Francesca verdrehte die Augen. Sie trat näher und sorgte dafür, dass ihre Hand wie zufällig Jacks Wange streifte. Ihre Blicke trafen sich – ihre Haare waren lang, dunkelblond, wippten vor ihrem Gesicht auf und ab, betonten ihren verführerischen Anblick.
    »Ist dir aufgefallen, dass sich die Situation geändert hat – abgesehen davon, dass du auf die andere Seite des Ozeans gezogen bist?«
    »Welche Situation?«
    »Jack, wir arbeiten nicht mehr im selben Unternehmen. Damit sind die alten … Hindernisse ausgeräumt.«
    Jack sah in ihre flammenden Augen – gekonnt zurechtgemacht, wie der Rest ihres Gesichts. Ihre Lippen waren voll, kaum merklich mit Farbe betont. Jack dachte an Stevie, die er sich geschminkt nicht vorstellen konnte, und wandte den Blick ab.
    »Es gibt verschiedene

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