Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben

Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben

Titel: Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
sie: Bin ich denn immer noch nicht tot?’
    Tag 7: ‚Sie reagiert weniger
und bekommt Blasen im Mund.’
    Tag 8 u. 9: Keine Berichte.
    Tag 10: ‚Beim Besuch eines scen -Arztes ist Frau G. nicht mehr zu
verstehen. Der Hausarzt gibt Durogesic 25’ (ein Morphin-Pflaster; dies ist als
Anfangsdosis sehr hoch und entspricht 60 mg Morphin in Tablettenform).
    Tag 11: ‚Sie ist komatös. In
Anwesenheit der Familie stirbt sie am Nachmittag.’
     
    Ihre Schwiegertochter sagt über
die Tage, an denen keine Berichte vorlagen: ‚Es war nicht mit anzusehen, wie
sie da lag. Einige Schwestern kamen nach einem Besuch bei ihr weinend aus dem
Zimmer.’ Ihr Sohn sagt: ‚Ich hätte ein Kissen auf ihr Gesicht drücken sollen,
ihren Mund voller Blasen und Schorf konnte man nicht ansehen.’
     
    Nachträgliche Bemerkungen:
    - Arzt und Patientin haben es
jeweils versäumt, ein Gespräch über Sterbehilfe innerhalb eines überschaubaren
Zeitraums zu führen. Frau G. war es in ihrem unabhängigen Leben gewöhnt, die
Worte schnell in Taten umzusetzen. Sie hatte sich keine Gedanken darüber
gemacht, was für ihren Arzt Beihilfe zur Selbsttötung bei einem Patienten
bedeutet. Nachdem sie ihre Entscheidung getroffen hatte, war ein offenes
Gespräch über Alternativen oder über einen Aufschub nicht mehr möglich. Ihr
Sohn hatte Verständnis für ihre Einstellung, dass es nun genug sei, und
außerdem kannte er ihre unerbittliche Art, sodass er von einer Vermittlung
absah.
    - Es kommt öfter vor, dass sich
die Standpunkte von Arzt und Patient widersprechen. In diesem Fall ging die
Parkinson-Erkrankung mit Behinderungen einher, die für viele andere Patienten
erträglich gewesen wären; das war jedenfalls die Erfahrung des Hausarztes. Aber
Frau G. und ihre Angehörigen bezogen diese Behinderungen auf ihren persönlichen
Lebensstil. Es handelte sich um eine nicht umkehrbare Behinderung des Laufens
und der Benutzung der Toilette, aber vor allem des Sprechens und Schluckens,
was zur Folge hatte, dass sie in Gesellschaft unverständlich sprach und
sabberte. Das war für sie Grund genug, sich aus sozialen Beziehungen ganz
zurückzuziehen. Als sportliche, kontaktfreudige Frau, die sie einmal war,
fühlte sie durch die unumkehrbaren Behinderungen wie sie ihr vertrautes Leben
immer mehr verlor. Darüber wurde allerdings in einer Phase, in der Frau G.
ihren Arzt davon hätte überzeugen können, wie schwer das für sie wog, oder
umgekehrt der Arzt noch Alternativen hätte vorschlagen können, nicht
gesprochen. Wäre das Gespräch zwischen Frau G. und ihrem Arzt nicht eskaliert,
hätte eine schnelle Beratung durch einen scen
— Arzt möglicherweise noch eine Brücke bauen können.
    - Der Hausarzt kam nicht
täglich an das Sterbebett der unter starken Schmerzen leidenden Frau G. Die
Familie und das Pflegepersonal des Heimes haben sich deshalb nicht unterstützt
gefühlt.
    - Mundpflege: ab Tag 7 hatte
Frau G. schmerzhafte Blasen im Mund. Das weist darauf hin, dass die Mundpflege
nicht ausreichend war. Der Wunsch zu sterben, ohne dass eine tödliche Krankheit
vorliegt, kann leider bei den Pflegenden eine gewisse Nachlässigkeit oder
Unachtsamkeit gegenüber dem Patienten hervorrufen.
    - Palliative Medikation: Es
wurde Paracetamol verschrieben, die erste ‚Stufe’ der ‚Schmerzmitteltreppe’.
Manchmal kann das reichen. Es wurden keine Schlafmittel verabreicht, die die
Wachstunden von Frau G. verkürzt hätten. Warum das nicht passiert ist, geht aus
den Aufzeichnungen des Pflegepersonals nicht hervor. Der Arzt sagte später,
dass Frau G. nicht über Schlafprobleme geklagt hätte, aber ihr Sohn meinte,
dass sie nur zu stolz gewesen sei, ihren Arzt noch einmal um etwas zu bitten.
Aus den fehlenden Berichten von Tag 8 und 9 könnte man vielleicht schließen,
dass die Lage in den Augen des Pflegepersonals nicht mit anzusehen war. Die
Aussage der Schwiegertochter, dass einige Schwestern mit Tränen in den Augen
aus dem Zimmer von Frau G. kamen, deutet daraufhin.
    - Einige Ärzte assoziieren
bewusstes Aufhören mit dem Essen und Trinken absichtlich mit Selbsttötung. Das
kann eine moralische Verurteilung und ein ‚Regime des Schweigens’ auslösen.
Viele Hausärzte betrachten jedoch ein Schlafmittel als normale palliative
Behandlung in der letzten Lebensphase.
    - Wenn ein Arzt es persönlich
für eine falsche Entscheidung hält, dass eine voll verantwortliche Person ihr
Leben beenden möchte, indem sie aufhört zu essen und zu trinken, muss er
trotzdem

Weitere Kostenlose Bücher