Wehe Dem, Der Boeses Tut
und verscheuchte die Gedanken an ihn. Was ging er sie überhaupt an? Sie war klug genug, sich nicht mit ihm einzulassen. Selbst wenn er nicht ihr Halbbruder sein sollte, selbst wenn er nicht eine Affäre mit ihrer Mutter gehabt haben sollte, selbst wenn er nicht mit Nachnamen Danvers hieße, war er doch nicht der Mann, dem man vertrauen, geschweige denn verfallen durfte.
Verfallen? Meinst du etwa verlieben?
Ausgeschlossen, ganz ausgeschlossen. Er war die verbotene Frucht, basta! Verführerisch, eben weil er tabu war. Erotisch, weil er der Falsche für sie war, der völlig Falsche.
Und doch stand ihr immer wieder sein Bild vor Augen. Sie stellte sich das dreiste Lächeln auf seinem schroffen Gesicht vor, erinnerte sich an das Gefühl seiner harten, hungrigen Lippen auf ihrem Mund … bis sie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel. Sie träumte – erotische Fantasien von schweißnassen Leibern, wild klopfenden Herzen, Lippen, die die intimsten Körperstellen liebkosten, und Fingern, die über erhitzte Haut strichen. Im Traum sah sie ihn über sich, seine nackte Haut schimmerte golden im Schein eines heruntergebrannten Feuers, sein Haar war nass von Schweiß, seine Augen dunkel von einem tiefen Geheimnis.
Sie begehrte ihn so sehr, und doch war da noch etwas, als sei jemand bei ihnen im Zimmer, eine gestaltlose Präsenz, die dunkel und drohend im Schatten lauerte.
Sie hörte ein Rascheln und eilige Schritte.
»Wer ist da?«, rief sie; ihr Blick suchte in den düsteren Winkeln, ihr Herz klopfte angstvoll. Sie sah sich nach Zachary um, aber er war fort, und sie war allein. »Zach!« Doch ihre Stimme verhallte im Leeren, wurde von unsichtbaren Wänden zurückgeworfen. »Zach! Wo bist du?« Sie stand auf und begann zu laufen, mit bleischweren Beinen, völlig nackt. Sie befand sich in einer Gasse, Nebel umwallte sie, etwas jagte sie, Schritte dröhnten über das nasse Pflaster.
»Zach!«, schrie sie verzweifelt, überzeugt, den Atem ihres Verfolgers im Nacken zu spüren. »Hilfe!« Sie rannte. Schneller, ihre nackten Fußsohlen klatschten auf dem unebenen Asphalt. O Gott, wo war sie? Wenn sie doch nur um die nächste Ecke verschwinden könnte …
Zu spät! Ihr Verfolger kam näher. Sie hörte ihn atmen, spürte seine Gegenwart. Eine Hand berührte ihren Nacken …
Abrupt öffnete Adria die Augen. Es war dunkel. Ihr Herz klopfte wie ein Schmiedehammer, sie war schweißgebadet. Im ersten Augenblick wusste sie nicht, wo sie war, doch dann erinnerte sie sich … das Orion … in Sicherheit … die Tür war fest verschlossen.
Warum fühlte sie sich trotzdem immer noch so bedroht, warum ging ihr Atem flach, klapperten ihre Zähne? Es war ein Traum gewesen, nichts als ein Traum. Langsam atmete sie aus und stand auf. Sie würde ins Bad gehen, sich ein Glas Wasser holen und …
Dann sah sie es. Ein dünner Umschlag, der unter der Tür hindurchgeschoben worden war.
Wahrscheinlich nur die Rechnung , sagte sie sich, doch insgeheim wusste sie es besser.
Die Nerven zum Zerreißen gespannt, ging sie zur Tür und hob den Umschlag auf. Er war zugeklebt und nicht adressiert. Behutsam schob sie einen Fingernagel unter den Falz.
Die Botschaft bestand aus einem knappen Hinweis: Am Empfang liegt ein Päckchen für Sie.
»Wie bitte?« Sie öffnete die Tür, doch der Flur war menschenleer. Etwas war faul an dieser Sache. Mehr als faul. Zieh keine voreiligen Schlüsse. Sie trat an das kleine Nachttischchen und tippte die Nummer der Rezeption ins Telefon.
»Adria Nash hier«, sagte sie, als eine Frauenstimme sich meldete. Sie nannte ihre Zimmernummer und fragte: »Hat jemand ein Päckchen für mich abgegeben?«
»Ich sehe rasch nach.« Es klickte in der Leitung und eine Melodie ertönte, bis die Frau sich wieder meldete. »Ja, Ms Nash, hier liegt ein Päckchen für Sie bereit. Ich lasse es Ihnen hinaufbringen.«
»Augenblick noch. Wissen Sie, wer es gebracht hat?«
»Nein, tut mir leid. Es lag im Geschäftsbüro. Wahrscheinlich wurde es per Kurier geliefert. Ich sehe im Register nach und melde mich dann wieder.«
»Danke.« Adria legte auf. Zwei Minuten später stand ein Page vor der Tür und reichte ihr einen dicken Luftpolsterumschlag, auf dem in Blockbuchstaben ihr Name stand. Sie gab dem Mann ein Trinkgeld, und noch bevor sie den Umschlag öffnen konnte, klingelte das Telefon.
»Ms Nash, hier ist Ellie von der Rezeption. Ich kann es mir nicht erklären, aber eine für Sie eingegangene Sendung ist nirgendwo
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