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Wehe Dem, Der Boeses Tut

Wehe Dem, Der Boeses Tut

Titel: Wehe Dem, Der Boeses Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihrer Heimat und dem Tod all ihrer Lieben ins Auge gesehen, und, bei Gott, sie würde sich auch jetzt nicht kleinkriegen lassen. Nicht durch solch alberne kleine Briefchen. Der verfluchte Feigling. Sie faltete den Zettel mit der dummen Drohung zusammen und schob ihn in ihre Handtasche zu dem anderen, den sie zerknüllt, dann aber wieder glatt gestrichen hatte, um ihn aufzubewahren. Vielleicht würde sie beide Nelson zeigen. Mal sehen, was er dazu sagte.
    Zehn Minuten später war sie unten in der Bar, an einem Tisch am Fenster zur Straße hinaus, und beobachtete den stetigen Verkehrsstrom, die in Wintermäntel gehüllten Fußgänger mit Schirmen und hochgeschlagenem Kragen. Alle schienen in Eile.
    Sie hatte eigentlich nicht vorgehabt, sich etwas zu trinken zu bestellen, doch nach dem neuerlichen Schrecken konnte sie einen Drink gut gebrauchen. Sie nippte bereits an einer Cola mit Rum, als Nelson erschien. Beinahe hätte sie ihn nicht wiedererkannt, da sie ihn bisher nur in teuren Anzügen gesehen hatte, stets tadellos gekleidet. An diesem Abend war sein Haar ungekämmt, vom Wind zerzaust und feucht vom Regen, und er trug einen Wollpullover, schwarze Jeans sowie eine schwarze Lederjacke, die nagelneu aussah – als hätte er sie eigens zu diesem Anlass gekauft.
    Zu Zacharys Temperament passte die saloppe Erscheinung, Nelson hingegen wirkte in dieser Aufmachung, die ein bisschen zu modisch war, um als lässig gelten zu können, sonderbar verkleidet. Ein rätselhafter Mann.
    Er sah sich nervös in der Bar um, ehe er rasch zwischen den Tischen hindurch auf sie zuging. Er schien blasser, als sie ihn in Erinnerung hatte, weniger selbstsicher, und er hatte etwas von einem kleinen Jungen an sich, was ihr vorher nicht aufgefallen war.
    »Adria!« Mit einem herzlichen Lächeln nahm er ihr gegenüber Platz. Der Kellner war sofort zur Stelle und Nelson verlangte einen Scotch on the Rocks. »Es muss Ihnen merkwürdig erscheinen, dass ich Sie angerufen habe«, sagte er und schnippte ein paar Regentropfen von seiner Jacke.
    »Ich hatte damit gerechnet.«
    »Ach ja?«
    »Sie sind eben der Erste. Ich gehe davon aus, dass jedes einzelne Familienmitglied mir noch das eine oder andere zu sagen hat. Sie wissen schon – um mich zu überzeugen, dass ich in meinem eigenen Interesse die Stadt verlassen sollte.«
    Sein Lächeln blieb unverändert, doch in seinen freundlichen blauen Augen glaubte Adria ein kaltes Aufblitzen zu bemerken. »Nun, ich sage es nur ungern, aber dadurch würden Sie es sich verdammt viel einfacher machen.«
    »Mhm. Ich soll also das Handtuch werfen und davonlaufen?«
    »Nicht ganz.«
    »Dann stünde ich wieder dort, wo ich angefangen habe.«
    »Wäre das so schlimm?«
    »Ich glaube, ja«, sagte sie, um Ruhe bemüht. »Haben Sie überhaupt eine Ahnung, seit wie langer Zeit ich schon versuche herauszufinden, wer ich bin? Woher ich komme?«
    Der Kellner brachte das Getränk und Nelson drehte das Glas in den Händen. »Es geht Ihnen also nicht so sehr darum, London zu sein, sondern darum zu erfahren, wer Sie sind.«
    »Ich bin London.«
    Er musterte sie forschend. »Okay, London «, sagte er mit einem Anflug von Spott, »und was genau wollen Sie von uns?«
    »Ich sagte es bereits: Ich will anerkannt werden.«
    »Und mit der Anerkennung fordern Sie natürlich Ihren Erbteil ein.«
    »Hören Sie, Nelson, ich erwarte nicht, dass Sie und der Rest der Familie nachgeben und mich vorbehaltlos akzeptieren. Das würde keinen Sinn ergeben.«
    »Nein …«
    »Und mir ist klar, dass ich nicht die Erste bin, die behauptet, Ihre Halbschwester zu sein.«
    »Weiß Gott nicht.«
    Adria legte in einer fast bittenden Geste die Hände geöffnet auf den Tisch. »Ich will nur eine Chance. Ich weiß nicht, was Ihre Familie zurzeit unternimmt, aber ich stelle mir vor, dass jeder Einzelne tut, was er kann, um mich als Lügnerin zu entlarven. Sie haben sicher eine ganze Horde von Anwälten und Detektiven angeheuert, die Tag und Nacht an diesem Problem arbeiten.« Er wandte den Blick ab – offenbar hatte sie also den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie wurde beschattet, und zwar von irgendeinem Detektiv, den die Familie angeheuert hatte. Ihr Magen krampfte sich zusammen, doch nach außen hin bewahrte sie die Ruhe. »Also, wenn Sie irgendwelche Informationen bekommen, die eindeutig belegen, dass ich nicht London Danvers bin, lassen Sie es mich wissen, dann ziehe ich mich zurück. Ich bin bereit zu Blutuntersuchungen, DNA-Tests und so weiter, um

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