Wehe Dem, Der Boeses Tut
behalten. »War London bei ihm?«, erkundigte sich Witt, obwohl er die Antwort bereits kannte.
Nelson schüttelte heftig den Kopf, wobei sein langes, blondes Haar die Schultern streifte. »Er ist allein gegangen und wollte mir nicht sagen, wohin.«
»Warum hast du uns das nicht schon früher erzählt?« Seine Stiefmutter schien kurz davor, den Jungen zu ohrfeigen.
»Ich wollte nicht, dass er Ärger bekommt.«
»London ist verschwunden!«, schrie Katherine hysterisch. »Ob dein nichtsnutziger Bruder wieder mal Ärger bekommt, schert mich nicht, verdammt!«
Witt trat zwischen seinen Sohn und seine junge Frau. »Noch wissen wir doch gar nicht, was geschehen ist. Lass uns keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
»Der Junge hatte schon immer etwas Verschlagenes an sich«, sagte Katherine. »Ich wollte es ja nicht glauben, aber ich traue ihm durchaus zu, dass er …«
»Es reicht!« Witt wandte sich seinem ältesten Sohn zu, der den Wortwechsel mit geradezu amüsierter Miene verfolgt hatte. »Findest du das etwa lustig?«, brüllte er.
»Nein.«
Ein Muskel in Witts Wange zuckte. »Du benimmst dich, als wüsstest du, wo dein Bruder steckt.«
»Ich kann es mir denken«, erwiderte Jason mit einem gleichmütigen Schulterzucken. »Er ist doch ständig scharf. Ich nehme an, er verbringt die Nacht mit einem Mädchen, das er irgendwo aufgelesen hat.«
Katherine wirkte schockiert.
»Komm schon, Dad. Tu doch nicht so, als wüsstest du nicht mehr, wie das ist, wenn man siebzehn ist. Zach wollte einfach nur bumsen.«
Witt konnte sich kaum erinnern, doch es war ihm egal. Zumindest für den Moment. London war verschwunden.
Sirenen.
Irgendwo in der Ferne gellten Sirenen durch die Nacht. Autos hupten, Menschen schrien, und das Dröhnen in seinem Kopf hörte nicht auf. Mühsam öffnete Zach ein Auge. Der Boden schwankte, und im ersten Moment wusste er nicht, wo er war. Als er sich zu bewegen versuchte, durchfuhr stechender Schmerz seinen Arm. Ihm war schwindlig, sein Kopf fühlte sich bleischwer an.
Er biss die Zähne zusammen, stemmte sich auf die Knie hoch und sah die dunkle Blutlache – sein Blut – auf dem billigen Teppich. Der Raum drehte sich um ihn und er vermochte keinen klaren Gedanken zu fassen, bis er sein eigenes blutverschmiertes Gesicht im Spiegel über der Kommode sah. Das Hotel Orion. Zimmer 307. Sophia. Blitzartig fiel ihm alles wieder ein: das hübsche Mädchen, die Schläger, die eingedrungen waren und ihn beinahe umgebracht hätten.
Warum?
Weil sie ihn für Jason gehalten hatten.
Der Dreckskerl. Sein eigener Bruder hatte ihm eine Falle gestellt und er war hineingetappt. Zach kam mühsam auf die Beine und taumelte ins Bad. Sein Kopf dröhnte, sein Unterleib schmerzte von dem Tritt und die Schulter brannte wie Feuer, doch irgendwie gelang es ihm, die Hähne aufzudrehen und sich Wasser in das verunstaltete Gesicht zu spritzen. Er sah grauenhaft aus. Seine Augen begannen bereits blau anzulaufen und zuzuschwellen, seine Nase und die Lippen waren blutverkrustet. Über einem Jochbein klaffte eine Platzwunde und ein sauberer Schnitt zog sich von seinem Scheitel bis zur Wange.
Sein alberner Anzug, der Smoking, den Kat ihm gekauft hatte, war zerfetzt und blutig.
Hin- und hergerissen zwischen Scham und Wut, betrachtete er finster sein Spiegelbild. Jason hatte ihn mit einer Nutte, einer elenden Nutte als Köder hierher gelockt und ihn ans Messer geliefert. Himmel, er wäre um ein Haar ermordet worden!
Aber er war nicht tot. Wahrscheinlich würde man ihn im Krankenhaus zusammenflicken müssen, doch er würde noch Gelegenheit haben, seinem Bruder die Zähne einzuschlagen. Mit einem weißen Frotteetuch, in das ein schwarzes ›O‹ gestickt war, reinigte er sich notdürftig das Gesicht. Die Schulter wagte er nicht anzurühren aus Angst, sie könnte wieder zu bluten beginnen. Außerdem musste er schnellstmöglich von hier verschwinden. Auf gar keinen Fall wollte er erklären müssen, was vorgefallen war, oder gar den Schlägern eine zweite Chance geben, ihn umzubringen. Er musste sich unbemerkt zurück ins Hotel Danvers und in sein Zimmer schleichen.
Das dürfte nicht allzu schwierig sein, denn wie er mit einem Blick auf die Uhr feststellte, war es fast halb fünf – kurz vor Tagesanbruch. Witts Party musste inzwischen zu Ende sein. Und falls doch noch jemand wach sein sollte, war derjenige bestimmt zu betrunken, um zu bemerken, dass Zach sich einschlich.
Und dann würde er Jason zur Rede stellen und es ihm
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