Wehe Dem, Der Gnade Sucht
hatte Arme und Beine ausgebreitet, und das blonde Haar sah aus wie die Blüten einer Seerose. Ganz friedlich wirkte sie. Sein Vater wäre so stolz auf ihn gewesen. Caleb konnte die Stimme seines Vaters noch immer hören, als wäre es gestern gewesen.
»Deine Mutter war von Natur aus schlecht – verdorben, böse und schlecht. Und genau das haben verdorbene Frauen verdient. Schau hin, Junge – nein, nicht wegsehen! Nicht heulen! Nur Weicheier heulen. Und mein Sohn wird kein Weichei, dafür sorge ich schon. Na also, Junge – sei ein Mann, nimm es wie ein Mann. Nur Weiber heulen – vergiss das nicht. Und Weiber sind widerliche böse Kreaturen. Sie haben dieses Ding zwischen ihren Beinen, das sie so schlecht macht – diesen blutenden ekelhaften Schlitz, mit dem sie dir deine Männlichkeit abfressen, wenn du nicht aufpasst.«
Die hier hatte schöne Haare – so hell und dick, wie ein Heiligenschein. Eine Ophelia, die den Fluss hinuntertrieb.
Die kleine Ophelia hat sich aus Liebeskummer umgebracht, das weißt du doch, Süße. Das war mein kreativer Einfall. Wirklich hübsch, ich hoffe, sie wissen das zu schätzen, wenn sie dich finden. Dann wirst du natürlich nicht mehr so schön aussehen, Häschen, nicht wahr? Nein, wirklich gar nicht mehr schön – aufgequollen wie eine Wassermelone bist du dann bestimmt, weiß und gespenstisch und eklig. Vielleicht muss sich bei deinem Anblick sogar irgendein junger Polizist übergeben. Das wäre natürlich bitter, aber daran hast du dann selbst schuld. Ich hätte dir Manieren beibringen können, aber dafür ist es jetzt zu spät. Jedenfalls wird mir hier draußen langsam kalt, also lass ich dich jetzt allein. Bon voyage!
KAPITEL 7
Ziemlich müde, aber auch einigermaßen besorgt betrat Lee das Polizeirevier am Montagmorgen. Müde, weil Kathy und er das Wochenende miteinander verbracht hatten. Sie waren noch nicht lange zusammen und verschwendeten nicht gern viel Zeit mit Schlafen, wenn sie andere Dinge gemeinsam tun konnten. In den ersten Monaten, nachdem sie sich kennengelernt hatten, war das meistens Sex gewesen – Kathys Libido erwies sich als überraschend ausgeprägt.
Besorgt hingegen war Lee, weil er das ganze Wochenende über erfolglos versucht hatte, Ana auf dem Handy zu erreichen. Er rief sogar im Swan in Lambertville an und fragte, ob sie vielleicht Dienst hätte. Dort teilte man ihm jedoch mit, dass sie das Wochenende freigenommen hatte. Das beruhigte ihn ein wenig – vielleicht war sie mit ihrem Freund zu einem Kurzurlaub aufgebrochen und hatte das Handy ausgeschaltet. Allerdings hatte sie bei ihrem Besuch nichts darüber gesagt, und unter den gegebenen Umständen war das schon merkwürdig.
Im Revier war es für einen Montagmorgen erstaunlich ruhig. Der junge Sergeant vorn am Empfang konnte nur mühsam ein Gähnen unterdrücken, als er Lee zunickte und passieren ließ. Lee klopfte an die Tür von Chucks Büro. Zu seiner Überraschung rief eine Frauenstimme ihn herein.
Einen Moment blieb er erstaunt stehen, dann öffnete er vorsichtig die Tür.
Es gibt Frauen, in deren Gegenwart Männer sich aus irgendwelchen Gründen immer unterlegen fühlen. Andere Frauen werden aus offensichtlichen Gründen stets begehrt. Und dann gibt es Frauen, die beide Eigenschaften auf sich vereinigen.
Elena Krieger gehörte in die letzte Kategorie.
Sie war auffallend groß – Lee schätzte sie auf fast ein Meter neunzig – und hatte unfassbar lange Beine. Ihr seidiges rotblondes Haar erinnerte ihn an schwedische Stewardessen und Hollywooddiven. Und mit ihren Maßen hätte sie in den teuersten Shows in Vegas auftreten können. Ihre Brüste waren fast zu perfekt geformt, voll und dennoch fest, wie man unter der gelben Seidenbluse genau erkennen konnte. Dennoch hatte sie etwas Maskulines, was vielleicht an den breiten Schultern lag und den kräftigen Händen. Diese Frau war der Inbegriff einer nordischen Göttin.
Ihr Gesicht konnte man dagegen nicht wirklich schön nennen. Alles daran war ein wenig zu groß geraten: der Mund, die Nase, das ausgeprägte Kinn. Ihre hellen Augen waren indes eher klein und tief liegend, sodass sie noch etwas schmaler erschienen. Doch sie wirkten ausgesprochen wach und lebendig. Lee konnte sich kaum vorstellen, dass irgendein Mann auf dieser Welt sie von der Bettkante gestoßen hätte. Ihm erging es nicht anders, das Animalische in ihm, jenes Gefühl, das nicht einfach nur verrückt nach Kathy war, begehrte sie. Wie jeder heterosexuelle Mann stellte
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