Wehe Dem, Der Gnade Sucht
dieselbe Geschichte erzählt, als wir sie befragt haben. Der aus dem Fluss heißt Nathan Ziegler und hatte gerade als Anästhesist im Roosevelt Hospital angefangen. Der Typ in der Badewanne, Chris Malette, war nicht gerade verarmt, ansonsten geschieden, hatte aber noch ein gutes Verhältnis zu seiner Exfrau.«
»Keinerlei psychische Erkrankungen?«, erkundigte sich Lee.
»Negativ«, sagte Butts. »Und bevor Sie nachfragen, nein, der Lippenstift seiner Exfrau hat nicht dieselbe Farbe.« Er zeigte auf das Foto vom beschriebenen Spiegel. »Ihre Freundinnen und auch ihre Schwester haben ausgesagt, dass sie seit Jahren immer denselben benutzt. Passion Fruit Panache. Macht der Gewohnheit und so. Falls sie die Nachricht geschrieben hat, müsste sie extra einen anderen gekauft oder irgendwo geliehen haben, bevor sie unserem Glatzkopf den Rest gegeben hat.«
Elena Krieger starrte Butts an. »Sie sollten nicht so respektlos über einen Toten reden.«
Butts starrte zurück, dann schaute er Chuck an. »Ist die immer so?«
»Ich nehme meinen Job ernst, falls Sie das meinen«, erwiderte sie.
»Bitte vielmals um Entschuldigung«, sagte Butts. »Ich meinte natürlich Mr Malette. Was ich eigentlich sagen wollte, seine Exfrau ist nicht verdächtig. Und bisher haben wir auch noch niemanden gefunden, der den Mann nicht gemocht hätte – oder zumindest so verabscheut hätte, dass er ihn umbringen wollte.«
Morton zog noch ein Foto aus dem Stapel, der auf seinem Schreibtisch lag. »Der Abschiedsbrief von dem Kerl im Fluss, von Dr. Ziegler, liegt gerade bei einem Experten für Handschriften. Aber es ist auch so offensichtlich, dass er nicht von Ziegler stammt.«
Elena nahm sich das Bild des Abschiedsbriefs. » Es tut mir leid. Ich habe einen Fehler gemacht – ich verdiene es nicht zu leben «, las sie langsam vor. »Klingt mehr wie ein Schuldbekenntnis und nicht wie ein Abschiedsbrief.«
»Richtig«, stimmte Chuck zu. »Aber Schuld woran?«
»Wenn wir das herausfinden, haben wir ein wichtiges Teil des Puzzles«, meinte Butts.
»Und der Brief scheint auch keinen eindeutigen Adressaten zu haben, was schon komisch ist. Die meisten Selbstmörder, die einen Abschiedsbrief verfassen, schreiben ihn für jemand Bestimmten«, stellte Krieger fest.
»Ganz recht«, sagte Chuck. »Und schauen Sie sich nur mal an, wie fein säuberlich der Brief in der Plastiktüte verstaut wurde, damit er nur ja keine Berührung mit dem Wasser hat. Es war jemandem offensichtlich sehr wichtig, dass wir ihn finden.«
»Geht das an die Presse?«, fragte Lee.
Chuck legte den Kopf schräg. »Was meinst du denn dazu?«
»Ich würde das zurückhalten. Der Brief ist nicht lang und ausführlich genug, um ein Täterprofil zu erstellen.«
»Das dachte ich mir schon.« Chuck nickte. »Steht wohl nicht zu erwarten, dass uns irgendjemand anrufen würde, weil der Abdruck des Briefes in der Zeitung ihn an den Schreibstil seines Bruders erinnert.«
»Und brauchbare Fingerabdrücke gab es auch nicht«, vermutete Lee.
Butts schüttelte den Kopf. »Der Typ muss Handschuhe getragen haben.
»Oder aber die Frau.« Krieger runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor den vollen Brüsten. »Wieso gehen Sie automatisch davon aus, dass es sich um einen männlichen Täter handelt?«
Butts rollte mit den Augen, und Chuck sah ihn warnend an.
»Das ist tatsächlich eine gute Frage«, sagte Lee. »Obwohl es weibliche Serienmörder gibt, sind sie doch extrem selten. Statistisch gesehen spricht alles gegen eine Frau.«
»Ganz richtig«, sagte Butts. »Die Wahrscheinlichkeit, dass wir es hier mit einer Frau zu tun haben, dürfte ungefähr so groß sein, wie ich mein Herz für Bridge entdecken könnte.«
Lee musste lächeln. Es war schon komisch, dass Butts neuerdings die Ehre der forensischen Psychologie verteidigte. Zu Beginn ihrer Zusammenarbeit hatte der Detective gar nichts davon gehalten.
»Wie dem auch sei«, redete Butts weiter. »Jedenfalls lassen wir die Opfer noch auf mögliche Gifte und Drogen untersuchen.«
»Der Täter könnte sie also erst betäubt haben?«, fragte Lee.
»Immerhin möglich – besonders wenn es eine Frau war«, sagte Butts. »Die hätte sie wahrscheinlich erst betäuben müssen, außer sie ist ein kräftiges Mannweib.« Er schaute nervös zu Krieger.
Die tat, als hätte sie die letzte Bemerkung überhört. »Was ist mit der Nachricht am Spiegel?«, fragte sie. »Irgendwelche Übereinstimmungen mit dem Abschiedsbrief?«
Chuck nahm sich
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