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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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erhob sich würdevoll und verließ mit grimmigem Blick den Raum.
    Officer Anderson erschien mit einer Schachtel Latexhandschuhe und hielt sie Butts voller Stolz hin. »Sind die in Ordnung?«, fragte er eifrig. »Ich habe sie unter der Spüle gefunden – eine ganze Packung.«
    Butts nahm die Schachtel, gab Lee ein Paar Handschuhe und streifte sich dann selbst welche über.
    Officer Anderson wirkte enttäuscht, als hätte er einen Schulterklopfer oder einen Bonbon zur Belohnung erwartet.
    Butts begann die Schreibtischschublade zu untersuchen, während sich Lee den Aktenschrank vornahm. Er zog eine der schweren Eichenschubladen auf und nahm die darin befindlichen Akten in Augenschein. Es handelte sich hauptsächlich um Buchhaltung: Auf den Reitern im Hängearchiv stand – selbstverständlich alphabetisch geordnet – KONTOAUSZÜGE, RECHNUNGEN BEZAHLT, RECHNUNGEN UNBEZAHLT und so weiter und so fort.
    Während Butts und Lee sich langsam vorarbeiteten, ging Anderson auf und ab.
    »Irgendwas gefunden?«, brummelte Butts.
    »Bisher nicht«, antwortete Lee und schloss die obere Schublade. Dann kam die nächste dran. Hier wurde er fündig: Auf dem ersten Reiter stand in fein säuberlichen Druckbuchstaben PATIENTENAKTEN. »Treffer!«, entfuhr es ihm. Er zog einen Stapel Aktenmappen aus der Schublade.
    »Na also«, grunzte Butts und knallte die Schreibtischschublade zu.
    Lee gab ihm die Hälfte der Mappen und behielt den Rest. Es mussten ungefähr vierzig sein, eine für jeden Patienten. Offenbar hatte sich Perkins doch eine florierende Praxis aufgebaut, wobei einige der Mappen bestimmt auch ältere Fälle enthielten. Andererseits hätte jemand wie Perkins abgeschlossene und aktuelle Fälle eigentlich in zwei verschiedenen Schubladen aufbewahrt. Von einem Computer war weit und breit nichts zu sehen – was natürlich Perkins’ Widerwillen gegen jede moderne Technologie entsprach.
    Ana Watkins’ Akte befand sich in dem Stapel, den Lee durchsah. Mit dieser Akte fing er an – vielleicht fand er ja irgendeinen Hinweis. Perkins hatte sich genaue Notizen gemacht, allesamt handgeschrieben. Die Akte war chronologisch geordnet, und zu jeder Sitzung gab es Anmerkungen auf einem separaten Zettel. Alle Anmerkungen waren mit blauer Tinte und in gestochener Schrift festgehalten. Die Buchstaben wirkten seltsam verschnörkelt. Lee begann mit Anas letzter Sitzung, die noch nicht lange zurücklag.
     
    Patientin glaubt verfolgt zu werden. Paranoia?
    Die Möglichkeit, dass es sich dabei nur um Aufmerksamkeit heischendes Verhalten handelt, kann nicht ausgeschlossen werden. Hauptdiagnose narzisstische Borderline-Persönlichkeit würde dazu passen. Nichtsdestotrotz schien Patientin aufrichtig besorgt. Abschluss der Arbeit an früheren Leben angemahnt, aber Patientin zeigt sich diese Woche nicht kooperativ. Denkbar, dass sie sich an einen anderen Therapeuten wenden will, was beim derzeitigen Stand der Behandlung äußerst schädlich wäre.
     
    »Schon was gefunden?«, erkundigte sich Butts.
    »Nicht wirklich. Und Sie?«
    »Bisher nur einen Haufen Neurotiker. Niemand der wirklich einen gefährlichen Eindruck macht. Alle heulen sich über ihre Mutter aus. Was sehen Sie grade durch?«
    »Anas Akte. Vielleicht finde ich noch irgendeinen Hinweis. Bis jetzt habe ich aber nichts entdeckt, was ich nicht schon über Ana wusste.«
    »Machen Sie trotzdem weiter«, sagte Butts. »Ich glaube immer noch, dass unser Killer möglicherweise einer der Patienten ist.«
    »Ja, ich auch«, stimmte Lee zu. Das wurde sogar immer wahrscheinlicher, nachdem Perkins nun als potenzieller Mörder ausschied – oder tat er das gar nicht? »Hey«, sagte Lee plötzlich. »Kann es nicht sein, dass Perkins vielleicht doch unser Mann war?«
    Butts runzelte die Stirn. »Wäre das nicht ein ziemlich großer Zufall? Er ist der Mörder und wird selbst umgebracht?«
    »Schon gut. Ich wollte nur Ihre Meinung dazu hören.«
    »Meiner Meinung nach hat Perkins’ Mörder auch unsere anderen Opfer umgebracht und sich jetzt Charlotte geschnappt. Wenn wir Glück haben, leben sie und Krieger noch. Und wenn wir richtig Glück haben, steckt sein Name hier irgendwo in den Akten.«
    »Ganz genau«, stimmte Lee zu und schaute weiter die Akten durch.
    Eine von ihnen kam ihm dabei auffällig vor. Der Name des Patienten lautete Eric McNamara. Er war Ende zwanzig, arbeitete als Chauffeur mit eigener Limousine, für die er eine Garage irgendwo in der Bronx angemietet hatte. Ansonsten kümmerte er sich

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