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Wehe wenn der Wind weht

Wehe wenn der Wind weht

Titel: Wehe wenn der Wind weht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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aber das war ihr nie gelungen. Die heutige Nacht war nicht anders als jede andere Nacht.
    Eine Stunde zuvor war sie aufgestanden, da sie nicht schlafen konnte, und war zur Kinderstube gegangen. Sie war leer, und sie hatte sofort gewußt, daß Diana das Kind mit in ihr eigenes Zimmer genommen hatte. Sie war zu Dianas Tür geschlichen und hatte gelauscht. Sogar durch die schwere Eiche hatte sie sie atmen hören können. Dianas Atem ging kratzend, der des Kindes war weich und gleichmäßig. Während sie lauschte, hatte ihr Herz geklopft und Wut hatte sie erfüllt.
    Das Kind würde ihr Diana nehmen.
    Es geschah bereits.
    Diana, ihre Diana, tat bereits so, als gehöre das Kind ihr.
    Für heute nacht hatte sie beschlossen, nichts dagegen zu unternehmen.
    Aber morgen würde sie nachdenken, und sie würde bald wissen, was zu tun wäre. Natürlich mußte Diana bestraft werden. Ihr ganzes Leben lang hatte Diana Strafe gebraucht. Aber was machte sie mit dem Kind?
     
    Christie erwachte am nächsten Morgen, weil ihr Körper schmerzte. Sie versuchte, sich zu strecken, aber die Stäbe des Kinderbettes erlaubten das nicht. Sie öffnete ihre Augen und wußte einen Augenblick nicht genau, wo sie war.
    Über ihr blätterte die Farbe von der Decke, und der Himmel war durch den Schmutz am Fenster, das wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt war, verfinstert. Sie bewegte sich steif und richtete sich auf.
    Was machte sie in einem Kinderbett? Und wo war sie?
    Das war nicht ihr Zimmer. Ihr Zimmer war hell gestrichen und gelb und blau, und es war mit ihrer Sammlung von Stofftieren geschmückt.
    Langsam erinnerte sie sich an alles.
    Gestern.
    Ihr Vater war gestern gestorben.
    Sie war bei den Ambers, in der Kinderstube. Sie hatte vom Tag zuvor nur eine undeutliche Erinnerung, und jetzt, im hellen Morgenlicht, starrte sie auf die blätternde Tapete und die modernden Vorhänge und die Staubflocken, die über den Boden trieben. Sie meinte, daß sich in der Ecke etwas bewegte, doch als sie wieder hinschaute, war da nichts - nur ein trippelndes Geräusch, das aus dem Innern der Wand zu kommen schien.
    Sie sah sich im Zimmer nach einer Uhr um.
    Es gab keine.
    Sie kletterte aus dem Kinderbett und ging zur Tür.
    Sie war verschlossen.
    Furcht erfaßte sie, und sie wollte schon nach ihrem Vater rufen. Aber dann erinnerte sie sich, daß ihr Vater nicht zu ihr kommen konnte. Nicht jetzt. Und nie wieder. Sie fing an zu weinen, sank dann auf das Bett, das direkt neben der Tür stand und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie schluchzte laut, und ihr kleiner Körper wurde geschüttelt, aber niemand kam. Schließlich zog sie eine Decke um sich, da sie in der Morgenkühle fröstelte, und sie lag, wieder zusammengekauert, still da.
    Ihr Schluchzen erstarb langsam, und ihr Körper begann sich zu lockern. Sie wollte wieder einschlafen, aber sie wußte, daß sie das nicht konnte.
    Sie kletterte aus dem Bett und ging zum Fenster. Oben auf dem Hügel, ziemlich weit weg, konnte sie das Bergwerk sehen. Sie schaute nach unten. Unter dem Fenstersims neigte sich das Dach, fiel jäh zu dem First ab, der die Küche überragte. Aus irgendeinem Grunde war das aufregend. Falls es erforderlich war, konnte sie hinauskommen. Ihre Furcht begann nachzulassen, und sie schaute sich aufmerksamer in dem Zimmer um. Es sah aus wie ein Kinderzimmer. Da standen eine Wiege und das Kinderbett und einige Stofftiere, und eines dieser Dinge, das man benutzt, um ein Baby anzuziehen. Wie hieß das doch gleich? Ihr fiel das Wort nicht ein.
    Wieder rüttelte sie an der Tür und überlegte, warum abgeschlossen sein mochte. Sie lauschte angestrengt, hoffte Miß Diana irgendwo da unten zu hören, aber alles war still. Sie wünschte, sie könnte hinuntergehen, aber dann fand sie, daß es eigentlich ganz gut war, daß sie es nicht konnte. Wenn Diana - sie erinnerte sich dunkel daran, daß sie sie jetzt Tante Diana nennen sollte - noch nicht auf war, begegnete sie vielleicht Miß Edna.
    Sie mochte Miß Edna nicht, und obwohl Miß Edna kaum mit ihr gesprochen hatte, wußte sie, daß Miß Edna böse auf sie zu sein schien. Aber Christie ahnte überhaupt nicht, warum.
    Sie setzte sich wieder aufs Bett und überlegte, was sie tun sollte. Am besten, dachte sie, wäre es, einfach ruhig zu warten und zu hoffen, daß Tante Diana bald käme. Bald legte sie sich wieder hin und versuchte einzuschlafen. Aber der Schlaf wollte nicht kommen. Eine schreckliche Verlassenheit überkam sie, und sie begann wieder zu

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