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Wehe wenn der Wind weht

Wehe wenn der Wind weht

Titel: Wehe wenn der Wind weht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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angenommen, den Diana fürchten gelernt hatte. »Aber du kümmerst dich ja um nichts! Das hast du noch nie getan.«
    »Mutter, das ist nicht wahr!«
    »Willst du mich eine Lügnerin schimpfen, Diana?« hatte Edna beleidigt geknirscht.
    »Nein ...«
    Aber es war schon zu spät. Ednas Hand war vorgeschnellt und hatte sie auf die Wange geschlagen, so wie damals, als sie ein kleines Mädchen gewesen war. Und Diana hatte geschwiegen, weil sie wußte, daß sie weitere Bestrafung riskierte, wenn sie noch etwas sagte. Statt dessen war sie angesichts der Wut ihrer Mutter zusammengebrochen, bis eine Stunde später Edna nachgab und Diana in ihre Arme nahm.
    An diesem Abend beim Abendessen begann Diana plötzlich, in ihrem Gesicht zu kratzen, und schließlich hatte Edna einen Krankenwagen rufen müssen.
    Im Krankenhaus nannte man das erregte Depression, und man versuchte Diana zu erklären, daß dies aus der schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter herrührte. Wenn sie dieses Problem überwinden wollte, mußte sie lernen, es mit der alten Frau aufzunehmen.
    Nach ein paar Tagen war sie nach Hause gekommen, und eine Weile hatte sie es versucht. Doch im Laufe der Zeit erkannte sie, daß Frieden im Haus besser war als die ständigen Auseinandersetzungen, zu denen es immer dann kam, wenn sie anderer Meinung als ihre Mutter war.
    Bis vor kurzem hatte es wirklich nichts gegeben, das sie für streitenswert hielt.
    Bis Christie kam.
    Und jetzt widersetzte sie sich zum ersten Mal, solange sie sich erinnern konnte ihrer Mutter, und Edna gab nach.
    An diesem Morgen hatte der Wind aufgehört. Diana war im Begriff aufzustehen, als der Schrei die Morgenstille durchschnitt.
    Er kam von oben.
    Sie riß ihren Morgenmantel an sich und rannte aus ihrem Zimmer. Einige Meter entfernt stand ihre Mutter in der Tür ihres Zimmers und schaute zur Decke hoch.
    »Warum schreit das Kind denn so?« fragte sie, als Diana vorbeihuschte. Diana ignorierte sie.
    Sie nahm zwei Stufen auf einmal, als sie die Treppe hochstürmte, und eilte ins Kinderzimmer.
    Christie kniete mit aschgrauem Gesicht auf dem Boden, und Tränen rannen über ihre Wangen.
    In dem Schuhkarton lag das tote Küken, dessen winzige Augen aus den Höhlen gequollen waren.
    Behutsam nahm Diana Christie den Karton weg und starrte auf das tote Tierchen. »Christie, was ist geschehen?« keuchte sie.
    Christie versuchte zu sprechen, aber sie konnte nicht. Sie begann zu schluchzen, warf sich aufs Bett und verbarg ihr Gesicht.
    »Hör auf zu weinen«, befahl Diana. Ihr Mitleid für die Trauer des Kindes wandelte sich in Verärgerung. »Erzähl mir, was passiert ist.«
    Christie drehte sich auf dem Bett um. Ihre Augen waren rot und ihre Wangen voller Tränen.
    »Ich - ich bin aufgewacht, und ich - ich wollte mein Küken streicheln.«
    »Aber wo ist es hergekommen?« fragte Diana.
    Christie schniefte. »Ich hab's vergangene Nacht hergeholt. Ich war so einsam, Tante Diana. Ich hab's nur getan, weil ich Gesellschaft haben wollte.«
    »Ich verstehe«, sagte Diana, deren Stimme plötzlich kalt war. »Und wie bist du aus der Kinderstube hinausgekommen?«
    Ein Augenblick des Zögerns entstand, während das kleine Mädchen sie wachsam ansah. »Sie war nicht abgeschlossen«, sagte Christie schließlich mit unsicherer Stimme. »Ich - ich denke, du hast vergessen, sie gestern abend abzuschließen.« Sie begann zu weinen.
    Während Diana beobachtete, wie sich Christies Gesicht verzog, stieg Ärger in ihr auf. Sie sollte nicht weinen. Kleine Mädchen sollten nie weinen. Wenn kleine Mädchen weinten, dann mußten sie bestraft werden.
    »Ich lasse die Tür nie unverschlossen«, sagte Diana. »Und ich möchte nicht, daß du nachts hier herumläufst.«
    Christie wich vor ihr zurück, hatte plötzlich Angst vor dem, was kommen würde.
    »Zieh deine Schlafanzughose aus.«
    »Nein«, jammerte Christie. »Bitte - nein!«
    Aber sie wußte, daß es kein Entkommen gab. Sie hatte etwas Falsches getan, und sie würde dafür büßen müssen. Sie zog ihre Schlaf anzughose aus und beugte sich vornüber. Langsam und vorsätzlich begann Diana, sie zu schlagen.
    Ihre Hand bewegte sich wie ein Metronom und prügelte den Po des kleinen Mädchens, bis er rot und wund war. Erst als Christie schließlich zu weinen aufhörte, hörte Diana auf.
    »So«, sagte sie endlich. »Und jetzt gehst du ins Bett und stehst frühestens in einer Stunde auf.«
    Christie starrte sie an, und Verwirrung zeigte sich in ihren Augen. »Es tut mir leid«, sagte sie

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