Wehe wenn der Wind weht
Gib's zu.«
Zum ersten Mal an diesem Abend lächelte Bill. »Ich weiß nicht. Zuerst überhaupt nicht. Aber dann habe ich ihr wohl soweit geglaubt, daß ich's für wert hielt, darüber nachzudenken. Das ist jedenfalls vorbei.« Er winkte dem Kellner und bat um die Rechnung.
»Dann laß uns über etwas anderes reden«, schlug Diana vor, während sie warteten. »Etwas, das erfreulicher ist, als die Geschichten meiner Mutter über meine schmutzige Vergangenheit.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel über den vierten Juli.«
»Was ist dann?«
Diana lächelte ihn an, da sie genau wußte, daß sie jetzt sicher war. »Ich werde mit Christie zum Picknick gehen. Willst du mitkommen? Ich bin seit Jahren nicht auf einem Picknick gewesen, und ich habe nicht die leiseste Idee, was dabei überhaupt geschieht. Du könntest für mich den Dolmetscher spielen und mir die Sitten der Eingeborenen erklären.«
»Das klingt gut«, sagte Bill und entspannte sich. Aber dann kam ihm ein Gedanke. »Doch was ist mit deiner Mutter? Wird sie auch da sein?«
Und plötzlich war es mit Dianas Optimismus vorbei.
»Wenn ich's verhindern kann, nicht«, sagte sie bitter. Dann lachte sie noch bitterer. »Ich frage mich, ob sie mich überhaupt gehen lassen wird.«
Bills Stimme wurde ernst. »Diana, du bist eine erwachsene Frau, und du kannst tun, was du willst. Sie besitzt dich nicht, Diana. Du kannst tun, was du willst, und sie kann dich nicht daran hindern.«
Diana schaute Bill an, und ihre Stimmung änderte sich wieder. »Das kann ich, ja?« fragte sie. »Sie wird mich nicht mehr herumkommandieren, und das wird sie nie wieder. Niemals.«
Doch innerlich spürte Diana lauernde Zweifel. Zweifel und die schreckliche Erkenntnis, daß es da sehr viele Dinge gab, an die sie keine Erinnerung hatte.
Was war das und was mochten sie mit ihr anrichten? Sie wußte es nicht.
Um neun Uhr an diesem Abend öffnete Jay-Jay das Fenster ihres Zimmers und schlüpfte hinaus in die Nacht.
Die Luft war heiß und trocken, und der Wind wehte heftig, doch der Vollmond schien. Sie schlich sich zur Vorderseite des Hauses. In den tiefen Schatten stehend, spähte sie in die Wohnzimmerfenster. Ihr Vater saß in dem großen Liegestuhl mit einer geöffneten Bibel auf dem Schoß und schlief fest. Jay-Jays Mutter saß in einem kleineren Stuhl strickend neben ihm und sah sich eine Fernsehsendung an, die, wie Jay-Jay wußte, nicht vor elf vorbei sein würde. Ihr blieben zwei Stunden, bis ihre Eltern in ihr Zimmer kommen würden, um ihr auf ihrem Weg ins Schlafzimmer einen Gutenachtkuß zu geben.
Sie ging wieder auf den Hof und kletterte über einen Stakettenzaun, um auf den Hof der Gillespies zu kommen und schaute sich nach Susan um. In Susans Zimmer brannte Licht, aber die Jalousie war heruntergezogen.
Jay-Jay klopfte ans Fenster und wartete dann. Nachdem eine Ewigkeit vergangen zu sein schien, öffnete Susan das Fenster.
»Komm«, sagte Jay-Jay. »Es ist neun.«
»Ich kann nicht gehen«, flüsterte Susan. »Meine Eltern haben's herausbekommen.«
»Na und?«
»Sie haben mir gesagt, wenn ich doch gehen würde, streichen sie mir mein Taschengeld. Niemand geht - Steve sagt, daß seine Eltern es auch rausbekommen haben, und Mrs. Crowley hat meine Mutter angerufen.«
»Sie hat meine Mutter auch angerufen«, sagte Jay-Jay. »Aber meine Mami hat gesagt, so etwas würde ich nicht tun und hat einfach aufgelegt.« Sie kicherte. »Sehen deine Eltern fern?«
»Ich glaub' schon.«
»Na, dann komm doch«, drängte Jay-Jay. »Sie werden ja nicht mal merken, daß du fort bist.«
Susan zögerte, wußte nicht, was sie tun sollte. Doch dann öffnete sich die Tür zu ihrem Zimmer. Jay-Jay duckte sich ins Gebüsch.
»Susan?« fragte Florence Gillespie. »Sprichst du mit jemandem?«
»Nein«, sagte Susan, wobei sie das Fenster schloß. »Ich hab' nur eine Katze oder so was gehört. Ich hab' nur nachgeschaut.«
»Halt das Fenster geschlossen. Ich möchte nicht, daß der Wind den ganzen Staub ins Haus trägt. Warum kommst du nicht zu uns und siehst dir den Film mit an?«
Susan, die wußte, daß sie eigentlich längst im Bett sein sollte, ging freudig darauf ein.
»Darf ich den ganzen Film sehen?«
»Mal schauen«, sagte ihre Mutter zu ihr. Sie schaltete das Licht im Zimmer ihrer Tochter aus und schloß die Tür. Während sie Susan ins Wohnzimmer führte, überlegte Florence, wie lange Jay-Jay im Gebüsch ausharren würde, bevor sie nach Hause ginge.
Doch Jay-Jay, die begriffen
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