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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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verschwindest du.«
    »Ich soll verschwinden?«, fragte Rachel erstaunt.
    »Du hast seit deiner Rückkehr keine Minute Urlaub gemacht«, erklärte Peter. »Ich möchte, dass du dir ein paar Tage freinimmst, damit du am 2. September topfit bist.«
    »Aber es gibt vor der Pressekonferenz noch so vieles zu tun!«
    »Mach das in aller Ruhe zu Hause, wir telefonieren. Ich brauche dich hinterher in Hochform.«
    »Gut.«
    »Also, sieh zu, dass du fertig wirst, fahr nach Hause und schlafe! Das ist ein Befehl.«
    »Okay, Chef.«
    Rachel lächelte, sie hatte wirklich den besten Boss der Welt.
    Eine halbe Stunde später hatte sie ihre Arbeit beendet und verließ ihr Büro. Nachdem sie am Hafen entlanggefahren war, parkte sie am Ufer des Öresund. Mit ausgeschaltetem Motor und geöffnetem Fenster ließ sie sich vom Glitzern der Sonne auf dem Wasser hypnotisieren. Ein Trawler legte ab. Aus der Ferne hätte man ihn mit der Serendipity verwechseln können. Sie dachte noch einmal über die Ereignisse der letzten Wochen nach. Ein Terrorist hatte im Auftrag eines bedeutenden Industriellen einen Anschlag gegen Green Growth verübt. Die erste Hypothese war beruhigender, denn in diesem Fall handelte es sich um eine einzelne Tat, die gegen die Organisation gerichtet war und sich vermutlich nicht wiederholen würde. Bei der zweiten Hypothese hingegen war sie selbst die Zielscheibe, und die Angriffe würden nicht aufhören, bis man sie endlich zum Schweigen gebracht hätte.
    Und das alles nur, damit ich den Bericht unter den Tisch fallen lasse ! Aber der war nun endlich fertig. In zwei Tagen würde er während der Pressekonferenz in Papierform an die Journalisten verteilt und gleichzeitig die elektronische Version an alle Webredaktionen, Gemeinschaftswebsites und an wichtige Blogs versandt werden. Dänemark, Green Growth und insbesondere sie selbst würden erneut im weltweiten Rampenlicht stehen. Bin ich stark genug, um das durchzuhalten? Rachel zögerte, bejahte die Frage dann aber. Das ist der Preis für Gerechtigkeit und dafür, dass Reed seine Glaubwürdigkeit verliert. Rachels Gedanken schweiften ab und verloren sich über dem Graublau des Wassers. Schließlich stieg sie aus und lief inmitten der vielen Fahrräder am Pier entlang zu der berühmten Langelinie-Promenade. Eine Gruppe von Joggern in T-Shirts des Rugbyclubs überholte sie, eine andere kam ihr entgegen. Nach dem Radfahren war das Joggen die beliebteste Sportart der Dänen. Rachel atmete tief die Seeluft ein und warf einen Blick zu dem Pier, wo seit hundert Jahren die Kleine Meerjungfrau auf ihrem Felsen die Touristen anzog.
    Doch jetzt war ihr Platz leer. Die Bronzeskulptur von Edvard Eriksen und ihr Granitfelsen waren nach Shanghai überführt worden, wo das mystische Wesen die Attraktion des dänischen Pavillons bei der Weltausstellung darstellte. Die von Andersens Märchen inspirierte Figur hatte Ferien. »Nachdem sie zweimal von Vandalen enthauptet und amputiert und mit einer Burka verkleidet worden ist, hat man sie jetzt entwurzelt«, hatte Christa im März während der Überführungsaktion geschimpft. Und ihr Zorn hatte nicht nachgelassen. »Kann man sie nicht mal in Ruhe lassen? Sie hat nichts in China verloren!« Rachel erinnerte sich an Christas überraschende Wut.
    Ein andermal, als sie zwei anstrengende Stunden mit Sacha im Tivoli-Park verbracht hatten, hatten sie ihre Schuhe ausgezogen, und Rachel hatte Sacha zu einem der vielen Brunnen getragen, um seine Füße zu erfrischen. Die Stimmung war ausgelassen gewesen, sie hatten einander bespritzt, gelacht und gelärmt. Damals hatte sich Christa angesichts des leeren Piers erneut erregt.
    »Bringen sie sie nicht rechtzeitig zurück?«
    »Rechtzeitig zu was?«, hatte Rachel gefragt.
    »Rechtzeitig für mich …«
    Rachel hatte geglaubt, nicht recht verstanden zu haben, und war nicht weiter darauf eingegangen. Heute machte dieser Satz Sinn. Und wenn Christa um ihre Krankheit gewusst hatte?
    Der Kummer schnürte ihr die Kehle zusammen. Die Kleine Meerjungfrau war weg und Christa auch. Die eine würde im Herbst zurückkommen, die andere nie. Sie war tot. Rachel schluckte mühsam. Welche Beziehung hatte sie eigentlich zu Niels’ Mutter gehabt? Hatte sie sie wirklich gekannt? Warum hatte sich Christa ihr nicht anvertraut?
    Rachel dachte über die Teile des Puzzles nach, über die sie verfügte. Christa hatte unter einer mysteriösen Krankheit gelitten, einer seltenen Form von Krebs. Vor ihrem Tod hatte sie mehrmals einen

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