Wehrlos: Thriller
Rollstuhls und schob ihn eilig vor sich her.
Ohne die Toilettentür aus den Augen zu lassen, schlich sich Rachel dicht an der Wand entlang zum Eingang. Sacha sollte die Aufsichtskraft lange genug aufhalten, damit sie Zeit hätte, die Dateien in dem mit dem Badge-Lesegerät verbundenen Computer einzusehen. Entschlossen und ohne zu zögern bewegte sie die Maus, bis sie auf den Desktop gelangte. Mit einem raschen Blick überzeugte sie sich, dass die Toilettentür noch immer geschlossen war. Rachel klickte das oberste Symbol »Eingang« an. Eine Datei mit Hunderten von alphabetisch geordneten Fotos öffnete sich auf dem Monitor. Sie prüfte die Befehle, um zu sehen, ob man sie nach Datum aufrufen konnte. Ja. Sie hörte die Wasserspülung. Verdammt noch mal ! Sie klickte den 23 . August an. Etwa fünfzig Fotos wurden angezeigt. Rachel überflog sie, bis sie ihr Bild fand. Rachel Karlsen, Ankunft 22 . 30 Uhr. Die Toilettentür ging einen Spaltbreit auf. Um 22 . 05 Uhr war das Badge einer anderen Frau gescannt worden. Um die fünfzig, zurückgebundenes, rötlich blondes Haar, trauriger Blick, hohe Wangenknochen, schmale Lippen, lange Nase. Die Toilettentür öffnete sich, und Sachas Rollstuhl kam auf sie zu. Rachel hatte gerade noch Zeit, den Namen zu lesen und das Fenster zu schließen.
»Ich musste Pipi machen, Mama«, rief Sacha stolz, und seine Augen blitzten schelmisch.
■ ■ ■
Die Sonne ging unter. Rachel deckte Sacha zu und erklärte feierlich: »Du warst unglaublich gut heute Nachmittag, mein Liebling. Ich ernenne dich zum Meisterdetektiv des Jahres.«
»Hast du gefunden, was du gesucht hast?«
»Ja, mein Schatz, dank deiner Hilfe. Ohne dich hätte ich das nie geschafft.« Sie drückte ihn an sich, und Sacha flüsterte: »Wenn du mich in den Arm nimmst, wird mir ganz warm.«
KAPITEL NEUNZEHN
30. August
Kirsten Sörensen, bekleidet mit einem roten Jogginganzug, hielt Sachas rechtes Bein fest und forderte ihn auf, das Becken kreisen zu lassen. Sie beugte sich über den Kleinen, der auf dem Teppich im Wohnraum lag, und ermunterte ihn: »Kräftig durchatmen!«
Rachel, die mit einer Tasse Kaffee am Küchentisch saß, beobachtete die beiden.
Kirsten hatte zügig mit der Physiotherapie begonnen. Sie hatte Tempo vorgelegt, aber Rachel gefiel dieses neue Ritual, mit dem der Tag begann und das Sacha energischer und konzentrierter machte. Allerdings gelang es ihr nicht so recht, die eher reservierte Physiotherapeutin in ein Gespräch zu verwickeln. Rachel hatte Kirsten Sörensen in der Kategorie der »Pragmatiker« eingeordnet, die für und durch ihre Arbeit leben und sich sonst keine großen Fragen stellen. An diesem Morgen fühlte sie sich selbst ein wenig so, sie war kämpferisch und angriffslustig gestimmt. Das Gefühl, endlich voranzukommen, und die sechs Stunden Schlaf ohne Albträume hatten Wunder gewirkt.
Mit einem Bleistift malte sie Blumen auf die Liste der Ärzte namens Wang, die neben ihrer Tasse lag. Dann schrieb sie in fetten Großbuchstaben einen Namen an den Rand und betrachtete ihn.
MARGARETH JENSEN
Die Stimme aus dem Bella Center, die über einen Ausstellerbadge verfügte und sie gewarnt hatte. Sie hatte weder im Internet noch auf der Seite von RenokPharma etwas über sie finden können, aber das war nicht weiter schlimm, Rachel hatte jetzt den Anfang des Ariadnefadens gefunden und würde ihn hartnäckig weiterverfolgen.
Sie widmete sich wieder ihren Ärzten namens Wang und wählte die dritte Nummer auf der Liste. Nach dem zweiten Klingelton erklärte ihr eine metallene Stimme, Doktor Wang habe nur dienstags und donnerstags Sprechstunde, aber sie könne eine Nachricht hinterlassen. Rachel legte auf und schrieb ein D vor den Namen. Sie wollte gerade erneut wählen, als Kirsten Sacha eine Pause gönnte und zu ihr kam.
»Am Freitag habe ich Professor Hansen gesprochen. Er ist sehr zuversichtlich, was die Fortschritte dieses jungen Mannes betrifft, und meint sogar, wir sollten das Programm noch intensivieren.«
»Und was heißt das?«, fragte Rachel.
»Für einen bestimmten Zeitraum auch am Wochenende Therapiestunden abhalten.«
Rachel runzelte die Stirn.
»Ist das nicht zu viel?«
»Doktor Hansen sagt: im Gegenteil, man müsse, um den größtmöglichen Erfolg zu garantieren, das Muskeltraining einige Wochen lang täglich durchführen. Und wir wollen auch Wassergymnastik hinzunehmen.«
»Aha … gut«, antwortete Rachel. »Wir werden uns entsprechend organisieren.«
Kirsten
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