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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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erleuchtet, hob sich das runde Bauwerk gegen den nächtlichen Sternenhimmel ab wie eine Art Raumschiff, das der Zufall mitten in diese städtische Zone gesetzt hatte. Sie kannte den Ort in- und auswendig, nachdem sie zwei Wochen darin unterwegs gewesen war.
    In diesen Mauern hatte sie, wie Millionen andere Menschen, von einem wunderbaren solidarischen Abkommen zwischen den Nationen geträumt, das die Menschheit vor einer vorhersehbaren Katastrophe retten würde. Sie hatte auf eine sanfte Revolution gehofft, auf eine mutige Entscheidung der Staatschefs, um den Kindern dieser Welt eine lebenswerte Zukunft zu bieten.
    Dass Rachel so nah an diesen strategisch wichtigen Ort gezogen war, bedeutete einen enormen Vorteil für Green Growth. Während des Gipfels hatte sich ihre Wohnung in das Hauptquartier der Organisation verwandelt. Hierher kam man zu jeder beliebigen Tages- oder Nachtzeit, um sich abzulösen, eine Kleinigkeit zu essen oder zu duschen, während rund um die Uhr erbitterte Diskussionen geführt wurden.
    In einer kameradschaftlichen Atmosphäre waren damals Matratzen und Schlafsäcke am Boden verteilt und mehrere PC -Arbeitsplätze in der Wohnung eingerichtet worden. Alle glaubten, einen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit mitzuerleben, die Revolution der globalen Bewusstwerdung. Ein Wind der Hoffnung hatte ihre Seelen gestreift.
    Jeden Abend rief sie Sacha an, der bei Christa war, sagte ihm: »Weißt du, mein Schatz, die Welt wird sich ändern und für dich besser werden.« Bisweilen stieg dumpfe Wut in ihr auf, denn ihr wurde klar, dass sie sich, wie die vielen anderen Aktivisten, Illusionen hingab. Je mehr Zeit verging, desto stärker spürten alle, dass die Staatschefs eher die wirtschaftlichen Interessen ihrer jeweiligen Länder als das Allgemeinwohl verteidigen und dann wieder abreisen würden. Und genau so war es gekommen.
    Nach zehntägigen hitzigen Verhandlungen erfahrener Unterhändler waren die Staats- und Regierungschefs in ihren Jets eingeflogen und in gepanzerten Limousinen ins Bella Center gefahren worden. Dann hatten sie sich unter der großen Kuppel in gesonderten Räumen besprochen. Die Debatten hatten sich um das Duell USA –China gedreht, die beiden Großmächte der industriellen Welt mit hohem Kohlendioxidausstoß, die sich argwöhnisch beäugt und geweigert hatten, den ersten Schritt zu einer Reduzierung der umweltverschmutzenden Aktivitäten zu tun oder sich einer internationalen Kontrolle zu beugen.
    Schließlich hatten sich nur die achtundzwanzig mächtigsten und einflussreichsten Staaten an einen Tisch gesetzt, um einen zusammengeschusterten und enttäuschenden siebenseitigen Text zu verfassen, den anschließend fast alle anderen Nationen durch verschiedene Druckmittel akzeptierten. Der maximale Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius war dort zwar schwarz auf weiß niedergeschrieben – was schon eine Premiere darstellte –, aber die Mittel und Wege zur Erreichung dieses Ziels wurden nicht spezifiziert, und die Vereinbarung war weder einer Kontrolle unterworfen noch mit Sanktionen verbunden. Dann waren alle durch die Hintertür verschwunden, um anschließend vor die Öffentlichkeit zu treten und großspurig zu behaupten: »Wir haben eine Einigung erzielt.«
    Nachdem der Gipfel mit diesem schmählichen Scheitern geendet hatte, waren der kindliche Enthusiasmus und die Hoffnung auf bessere Zeiten und eine solidarische Völkergemeinschaft aus der Wohnung gewichen. Die Mitglieder von GG Kopenhagen und aus aller Welt waren empört und deprimiert nach Hause zurückgekehrt. Nur Rachel war, stark angeschlagen, vor Ort geblieben. Nach der ersten Enttäuschung waren die Mitglieder von Green Growth, darunter Rachel, erneut aktiv geworden. Wenn sich die Staatschefs nicht einigen konnten, musste man die Bürger an der Basis mobilisieren, die Ärmel hochkrempeln, um Aktionen zur Reduzierung der Treibhausgase durchzuführen und Druck auf die Regierungen auszuüben.
    ■ ■ ■
    Rachel eilte an der Metro-Hochbahn entlang, die oberhalb des Emil-Holms-Kanals verlief. Ein Künstler, dessen Name ihr entfallen war, hatte dort eine originelle Installation errichtet: Statuen schwächlicher Menschen im Wasser. Als hätte der Künstler begriffen, dass hier der Vertrag zur Gletscherschmelze an den Polen, zum Anstieg der Wasserspiegel, zum Verschwinden ganzer Populationen, zur Invasion von Millionen Klimaflüchtlingen und zur gewaltigen Krise, auf die die gesamte Menschheit im Eiltempo zusteuerte,

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