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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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vor, um es zu betrachten, und strich liebevoll mit dem Finger darüber.
    Sie hatte die gesamte Mannschaft des GG informiert, dass sie mit den Aktionen vor Ort aufhören und sich fortan nur um ihn kümmern würde. Und das stimmte auch. Sie konnte ihn in Zukunft nicht für so lange Zeit in die Obhut ihrer Schwiegermutter Christa geben, deren Gesundheitszustand nicht mehr der beste war. Sacha war erst vier Jahre alt, doch mit zunehmendem Alter würde der Alltag mit ihm komplizierter werden. Auf dem Foto grinste er verschmitzt und zeigte seine kleinen weißen Zähne, sodass man sich vorstellen konnte, wie er jeden Moment schallend loslachen würde. Sie erinnerte sich genau an jenen Morgen, an dem sie die Aufnahme gemacht hatte. Es war letztes Jahr im November gewesen, als in Kopenhagen der erste Schnee gefallen war. Bei der Aussicht, die ersten Flocken zu berühren, war Sacha furchtbar aufgeregt gewesen, hatte in seinem Kinderstuhl herumgezappelt und vor sich hingeplappert, unfähig, sich auf sein Müsli zu konzentrieren. So glich er jedem anderen dunkelhaarigen Jungen seines Alters. Doch Rachel wusste, dass hinter dem Stühlchen drohend der verhasste Rollstuhl lauerte, in dem er seit dem Zeitpunkt saß, da andere Kinder zu laufen anfingen.
    »Die Lipomyelomeningocele, auch Spina bifida genannt, ist eine Fehlbildung des Fettgewebes im unteren Bereich der Wirbelsäule«, hatte ihr Professor Emil Hansen wenige Stunden nach der Entbindung mit sanfter, aber entschiedener Stimme mitgeteilt. »Die Schäden, die an den Nerven entstanden sind, können entweder aus dem Druck dieses Fettgewebes resultieren oder aus einer anormalen Entwicklung des Rückenmarks.« Er hatte erklärt, die häufigsten Symptome seien eine mehr oder weniger ausgeprägte Muskelschwäche in den Beinen, eine Veränderung des Gangs, eine Missbildung der Füße oder eine lokale Gefühllosigkeit in den Beinen und/oder den Füßen. Manchmal käme es leider vor, dass eine solche Behinderung beim pränatalen Ultraschall nicht festgestellt würde. »Diese Läsion kann kurz nach der Geburt operativ verschlossen werden. Durch eine spezielle Physiotherapie in den ersten Jahren wird der Junge auch ein wenig Autonomie erlangen können«, hatte Professor Hansen hinzugefügt. Nachdem diese Enthüllung Rachel für eine gute Weile die Sprache verschlagen hatte, brachte sie schließlich mühsam hervor: »Aber er wird laufen können, nicht wahr?« Emil Hansen hatte sich geräuspert und ihrem Blick standgehalten. »Es handelt sich um eine schwere Behinderung. Es gibt kaum Chancen, dass er je seine Beine wird benutzen können. Aber die Medizin macht große Fortschritte, und man darf nie die Hoffnung verlieren. Es gibt viele Kinder, die sehr gut mit ihrem Handicap leben können.« Rachel erinnerte sich noch genau an das körperliche Gefühl, sich im freien Fall zu befinden. Sie hatte sich an dem Pfosten ihres Bettes festklammern müssen.
    Die Tür, die sich hinter dem Arzt schloss.
    Das Schluchzen, das in ihrer Kehle aufstieg.
    Die Tränen, die nicht kommen wollten.
    Das Zittern und die eisige Kälte,
    die sie ergriffen hatten.
    Und das kleine, so empfindliche Wesen.
    Empfindlich und gebrochen.
    Rachel wandte den Blick von dem Foto ab und zog – vermutlich zum letzten Mal – den Reißverschluss ihrer Öljacke zu.
    Ab jetzt würde sie sich um Sacha und um alle anderen Dinge kümmern, für die es sich lohnte, morgens aufzustehen. Durch den wachsenden Einfluss der Menschen war die Erde aus dem Gleichgewicht geraten. Es wurde höchste Zeit, dass sich dieses Bewusstsein auch im kollektiven und individuellen Handeln umsetzte und eine neue Solidarität zwischen allen Lebewesen entstand. Sobald sie in den Büros von Green Growth heimisch geworden wäre, wollte Rachel all ihre Energie aufwenden, um andere davon zu überzeugen, das Erbe der Menschheit zu bewahren und zu schützen. Das bedeutete einerseits, sich im täglichen Leben entsprechend zu verhalten, und andererseits, die öffentlichen und privaten Stellen zu verpflichten, unter allen Umständen der nachhaltigen Entwicklung den Vorzug zu geben.
    Peter Tomasson, der Leiter von Green Growth Dänemark, hatte ihr angeboten, ihren bisherigen Posten als Aktionsleiterin, der sie in alle Ecken der Welt geführt hatte, gegen den der Verantwortlichen für Klima, Energie und Biodiversität einzutauschen. In ihrem neuen Büro in Kopenhagen erwartete sie ein Stapel Akten zur Vorbereitung der bevorstehenden Kampagnen: Kampf gegen den

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