Wehrlos: Thriller
Dorffest.
Das Schlauchboot der Serendipity wurde zu Wasser gelassen und schaukelte in der Dünung.
»Hast du den Motor überprüft, Karl?«, fragte Rachel, die sich nach dem aufwühlenden Anruf, so gut es ging, zu konzentrieren versuchte.
»Es kommt gerade aus der Werkstatt in Å lborg. Nach dem letzten großen Schaden ist es komplett überholt worden.«
Rachel und Karl stiegen die drei Sprossen der an der Steuerbordseite befestigten Metallleiter hinab und sprangen in das Schnellboot. Frederik ließ die wasserdichte Box mit der Videokamera herab. Rachel nahm sie entgegen, setzte sich auf den Seitenwulst und klemmte die Füße unter die am Boden gespannten Sicherheitsgurte, während Karl an der Ruderpinne stand und den Motor anließ. Rachel schaltete die Videokamera ein, überprüfte die Einstellung und bedeutete der restlichen Mannschaft, den Daumen in die Höhe gereckt, dass alles in Ordnung war. Alle applaudierten zur Ermutigung. Rachel gurtete sich an der Sicherheitsleine an.
»Auf geht’s!«, rief Morten mit donnernder Stimme.
Die Serendipity würde Unordnung in das Treiben der Wale bringen, während Rachel und Karl so dicht wie möglich heranfahren sollten, um zu filmen. Morgen wäre das Video im Internet zu sehen.
Das Schiff der Green Growth legte an Tempo zu und positionierte sich zwischen den Booten der Treiber und dem Strand. Näher konnten sie nicht heranfahren, wenn sie nicht im Schlick stecken bleiben wollten. Mit einem schnellen Manöver überholte Karl die Serendipity . Rachel filmte die Totale: den Halbkreis aus Fischerbooten, der sich immer enger zusammenzog, das Green-Growth-Schiff in der Mitte der Bucht, die schwarzen Rücken der Grindwale, die in der Falle saßen. Frederik, der am Bug des Schiffes stand, griff nach dem Megafon. »Hören Sie auf, diese Jagd ist verboten. Sie verstoßen gegen die Gesetze der Internationalen Walfangkommission!«
Die Antwort auf seine Anschuldigung war ein Schuss in die Luft, der am Strand abgefeuert wurde. Dann erhob sich am Ufer Protestgeschrei.
Das Megafon am Mund, setzte Frederik seine Aufforderung fort. Das Schlauchboot näherte sich dem Strand. Es befand sich jetzt zwischen der zusammengetriebenen Grindwalschule und den Färingern, die ins Wasser stiegen. Mit ihren hohen Gummistiefeln, die Fanghaken in der Hand, drängten die kräftigsten Männer in das dunkle Nass. Rachel schaltete die Kamera ein. Eine Totale der Hunderte von Walen, die auf das Schlauchboot zuschwammen, es streiften und überholten. Eine Großaufnahme der Färinger, die tiefer in das Meer schritten und mit der Zunge schnalzten, um die Meeressäuger anzulocken. Ein mächtiger, dumpfer Klagelaut erhob sich: Das Nebelhorn der Serendipity ertönte mit voller Kraft. Einige aufgescheuchte Grindwale versuchten umzukehren, doch die Mehrzahl drängte weiterhin in die Bucht. Morten, Joanna, Maria und Frederik setzten die Sirenen in Gang, während die Unterwassersonden schrille Pfiffe ausstießen. Die Antwort vom Land ließ nicht lange auf sich warten. Die bewaffneten Färinger schossen Salven in die Luft. Der Geräuschpegel wurde unerträglich.
Das von den Tieren auf der einen, von den Jägern auf der anderen Seite bedrängte Schlauchboot zog immer engere Kreise. Die vor Aufregung geröteten Gesichter der Fischer kamen näher. Rachel klammerte sich mit der einen Hand an der Sicherheitsleine fest, während sie mit der anderen filmte. Der erste in die Enge getriebene Wal steuerte auf einen der Jäger zu.
Der nahm sofort den Kampf auf.
Ein weißhaariger Färinger mit breiten Schultern und kantigem Kinn stieß als Erster sein Messer in die glänzende Haut des Delfins. Das Blut schoss in einer hohen Fontäne aus der Wunde empor.
Die Lippen zusammengepresst, zoomte Rachel die Szene näher heran. Eine heftige Welle schlug gegen die Seite des Schlauchboots und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie fing sich wieder und filmte weiter. Sie hörte Schreie und Beleidigungen, die ihr galten. Einer der Grindwale machte eine Kehrtwendung und versetzte dem Boot dabei einen Schlag mit der Schwanzflosse. Karl fuhr zur Seite, um ihm den Weg frei zu machen. Rachel richtete ihre Kamera aus. Jetzt strandeten die Grindwale am Ufer und wurden sogleich einer nach dem anderen von den Jägern harpuniert. Das karmesinrote Blut spritzte aus der schwarzen Haut. Gischt und Sand röteten sich. Die blutverschmierten Männer töteten alles, was ihnen in die Quere kam. Mit ihren Messern schnitten sie die königlichen Tiere
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