Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
Vom Netzwerk:
lag ein Netbook, in das er eifrig tippte. Der Stich, den sie in diesem Augenblick in ihrem Herzen verspürte, tat ihr weh. Seit acht Monaten hatte sie ihn nicht mehr gesehen, und selbst im Halbprofil war er noch attraktiv. Er strahlte große Anspannung, Dringlichkeit, Intelligenz aus. Sie trat näher.
    »Guten Abend.«
    Samuel hob den Blick, und die Luft zwischen ihnen knisterte. Rachel öffnete ihren Trenchcoat. Der Reporter konnte nicht umhin, ihr Dekolleté und ihre Beine mit einem liebkosenden Blick zu umfangen.
    »Hallo. Möchtest du etwas trinken?«, fragte er betont gleichgültig.
    »Ein Bier«, antwortete Rachel im selben Tonfall und nahm ihm gegenüber Platz.
    Er bestellte ein Bier für sie und eine Cola für sich. Dann schlug er eine neue Seite in seinem Moleskine-Notizbuch auf. Rachel saß wie erstarrt in einem Sessel, die Hände auf den Knien.
    »Danke, dass du gekommen bist«, sagte Samuel.
    Rachel begegnete seinem direkten, durchdringenden Blick, der stets zu suchen, zu forschen, zu planen und zu organisieren schien. »Was willst du wissen?«, fragte sie kurz angebunden.
    »Kannst du mir erzählen, an was vor dem Attentat du dich erinnerst?«, bat er, den Stift gezückt.
    Sie nahm es sich übel, geglaubt zu haben, zwischen ihnen könne etwas anderes als eine berufliche Beziehung bestehen. Dieser Kerl war nichts als ein Schlagzeilenjäger. Sie atmete tief durch und begann zu berichten: »Wie du weißt, waren wir in geheimer Mission unterwegs, um das Walmassaker auf den Färöer-Inseln zu vereiteln. Am Vorabend hatten wir in einigen Fjorden Bojen mit Sendern ausgesetzt, um die Wale zu vertreiben. Einer von uns ist sogar an Land gegangen, um herauszufinden, wo genau die Jagd stattfinden sollte.«
    Samuel schrieb schnell mit. »Und niemand wusste, wer ihr wart?«
    »Niemand. Wir hatten Vorsichtsmaßnahmen getroffen, es gab kein Zeichen mehr an Bord, das unsere Identität hätte verraten können. Wir sind sogar zweimal von der Marine kontrolliert worden, ohne dass sie uns etwas hätten nachweisen können.«
    »Und solange ihr auf dem Meer wart, ist niemand auf das Schiff gekommen …«
    »Außer der Marine niemand. Aber als der Trawler zuvor in Å lborg zur Wartung am Kai lag, waren er und auch das Schlauchboot zeitweise unbewacht.«
    »Welche Vermutung hast du?«
    »Irgendjemand hat herausgefunden, wer wir sind, hat sich an Bord geschlichen, solange das Schiff am Kai lag, und den Sprengstoff in dem Schlauchboot deponiert. Dann hat er die Aktion abgewartet, um den Zünder auszulösen.«
    »Also einer der Färinger.«
    »Jemand, der sich zu diesem Zeitpunkt im Fjord befand«, korrigierte Rachel.
    »Was genau ist vor der Explosion passiert?«
    Rachel starrte in das Feuer. Kleine Flammen in kräftigem Gelb tanzten in der Schale. »Ich erinnere mich, dass wir uns dem Strand näherten, das Meer war blutrot, die Männer schlachteten die Grindwale ab – Jungtiere, Männchen, trächtige Weibchen. Sie stießen auf der Höhe des Blaslochs zu. Selbst die Gischt war rot. Die Grindwale litten und schrien. Es war grauenvoll, ein wahres Gemetzel. Und die Mörder stachelten sich gegenseitig mit Gebrüll und Gesang an. Als sie uns kommen sahen, waren sie außer sich vor Wut. Sie haben in die Luft geschossen und gedroht, uns zu vertreiben. Andere haben uns beleidigt. Wir haben uns trotzdem genähert, um zu filmen. Ich habe das grausame Schauspiel aufgenommen. Irgendwann habe ich Karl, der das Boot steuerte, gebeten zu wenden, um einen besseren Blickwinkel zu haben, und in diesem Moment ist das Schlauchboot explodiert.«
    Samuel hörte auf zu schreiben und sah ihr in die Augen.
    »Und dann?«
    »Ich wurde in die Luft geschleudert und bin aufs Wasser geschlagen. Mein Kopf ist an etwas gestoßen, wahrscheinlich ein Motorenteil oder die Schraube, ich war benommen. Mein Knöchel verfing sich in den Tauen. Ich erinnere mich an die eisige Kälte, die durch meine Kleidung drang, und an die Grindwale um mich herum, die gegen mich stießen. Ich konnte nicht schwimmen, weil mein Fuß nach unten gezogen wurde. Mir wurde schwarz vor Augen, an mehr erinnere ich mich nicht.«
    »Hattest du Angst zu sterben?«
    Samuel machte sich keine Notizen mehr. Rachel hatte den Eindruck, dass diese Frage nicht mehr seinen Artikel betraf.
    »Ja.«
    »An was hast du gedacht?«
    »An meinen Sohn.«
    Kurzes Schweigen, bis Samuel sich einen Ruck gab und sich wieder auf seine Aufzeichnungen konzentrierte.
    Jetzt kreiste das Interview um die Umstände des

Weitere Kostenlose Bücher