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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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Kyle.«

KAPITEL SECHZEHN
    Samuel mochte es nicht, wenn man ihm Märchen auftischte. Als er die Bella Sky Bar verließ, war er wütend. Rachel hatte ihn an der Nase herumgeführt. Sie, die eher aggressiv war, wenn es um Schuldzuweisungen ging, hatte sich sehr vorsichtig und zurückhaltend geäußert. Wie übrigens auch ihr Chef Peter und alle Mitglieder von Green Growth, die er interviewt hatte.
    Er setzte seinen Helm auf und ließ das Motorrad an. Sein Instinkt riet ihm zum Misstrauen. Rachel hatte ihm nicht alles gesagt. Zügig fuhr er Richtung Nyhavn, ein von Kanälen durchzogenes Viertel mit vielen Restaurants und Bars, die von Seeleuten und Touristen bevölkert wurden. Eigentlich mochte er dieses Viertel, das im Sommer voll lärmender Touristen war, nicht sonderlich, aber er kannte hier eine Trattoria, die außergewöhnliche Pizzen machte. Er trat ein und seufzte vor Wohlbehagen. Aus dem Ofen drang der Duft nach warmem Teig, das Stimmengewirr tat ihm gut. Er hatte Glück und entdeckte einen Platz in der Nähe des großen Ziegelsteinofens. Nachdem er den Wirt begrüßt hatte, bestellte er eine »Pizza speciale« und setzte sich an einen der Tische mit rot karierter Decke.
    Nach einer Weile schaltete er sein Netbook ein. Seine Meldung zur Festnahme des Färingers war vor einer Stunde veröffentlicht und bereits von anderen Nachrichtensendern übernommen worden. Er erteilte sich selbst die Note befriedigend. Seine zügige Arbeit war von den Büros in Stockholm und Paris gelobt worden. Durch seine intensiven Recherchen in den ersten zwölf Stunden nach dem Attentat konnte die AFP mit ihren schnellen und zuverlässigen Informationen punkten. Das würde sich durch neue Abonnenten und Kunden auszahlen.
    Er durfte jetzt auf keinen Fall nachlassen. Zeile für Zeile ging er noch einmal seine Notizen durch und komprimierte das Interview mit Rachel auf sechshundert Wörter. Während er sein San Pellegrino trank und ein Grissini knabberte, las er den Artikel ein letztes Mal durch, unterschrieb seinen Text und schickte ihn in das Ressort.
    Samuel wartete, bis der Eingang seines Artikels bestätigt war, aß seine Pizza und bezahlte. Dann fuhr er nach N ø rrebro, das multikulturelle Viertel der Stadt. Er parkte sein Motorrad in einer dunklen Gasse mit holprigem Pflaster und trat in ein altes Ziegelsteinhaus, dessen Fassade mit Tags besprüht war. Nur zwei Fenster im Erdgeschoss waren erhellt. Wie immer, wenn er sich entspannen wollte, öffnete er die Tür zum Klub. Eine Viertelstunde später richtete er sein . 22 Long Rifle auf die Zielscheibe. Sein Arm zitterte nicht, sein Blick war konzentriert wie der eines geübten Killers.

KAPITEL SIEBZEHN
    Sacha schlief noch nicht, als Rachel an sein Bett trat, um ihm einen Kuss zu geben. »Ich will nicht allein in meinem Zimmer bleiben, ich habe Angst vor Albträumen, ich habe Angst vor dem Dunkel!«
    »Du hast Angst vor der Dunkelheit«, korrigierte sie zärtlich. »Aber du hast doch all deine Plüschtiere bei dir, die dich beschützen.«
    »Meine Plüschtiere sprechen nicht. Ich bin ganz allein.«
    Rachel umarmte ihren Sohn. »Weißt du, was wir machen? Ich lasse das kleine Licht an. Dann ist es nicht mehr dunkel.«
    »Hat Pippi Langstrumpf auch Angst vor der Dunkelheit?«
    »Zu Anfang ja, aber dann hat sie den Albträumen Angst gemacht, und sie sind nicht mehr wiedergekommen.«
    »Gehst du nicht mehr weg?«
    Rachel gab ihm einen Kuss. »Nein, versprochen.«
    Als sie zu Christa ins Wohnzimmer kam, zog diese ihre Jacke an und hängte sich ihre kleine rosafarbene Tasche aus indischem Stoff um den Hals.
    »Sehr hübsch«, meinte Rachel.
    »Sie kommt aus Delhi.«
    Plötzlich schien Christa sich an etwas zu erinnern. »Kann Sacha nächsten Samstag bei mir schlafen?«
    Rachel runzelte die Stirn. »Natürlich, wenn er will.«
    »Sehr gut. Ich will ihn meiner Freundin Magda vorstellen.«
    Kurz darauf zog Rachel ein großes T-Shirt an und dachte, während sie sich abschminkte, traurig an Karl. Plötzlich sah sie, dass Christa ihre Brille und ihre Uhr auf dem Waschbeckenrand vergessen hatte. Die kleine goldene Uhr zum Aufziehen, ein Erbstück ihrer Mutter, war die einzige, die Christa besaß. Sie hätte sich längst eine andere kaufen können, doch das wollte sie nicht, denn sie behauptete, die Erinnerung an ihre Mutter lebe fort, wenn sie sie jeden Tag trage. Rachel legte beides gut sichtbar auf die Küchentheke, um nicht zu vergessen, ihr die Sachen möglichst bald

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