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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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dritte mit der Nummer 17 . Die Fensterläden waren geöffnet, doch niemand antwortete auf ihr Klingeln. Rachel wartete eine Weile, ehe sie mit ihrem eigenen Schlüssel öffnete. Gleich beim Eintreten fiel ihr der Geruch auf. Ungewöhnlich, durchdringend und unangenehm. Eine Mischung aus abgestandener Luft und etwas anderem, säuerlich und undefinierbar.
    »Christa«, rief sie, um nicht unhöflich zu sein, falls ihre Schwiegermutter noch schlafen sollte.
    Sie schaltete das Deckenlicht ein. Vom Flur ging es rechts in die Küche, links ins Wohnzimmer und in eine kleine Abstellkammer. In der Mitte führte eine schmale, steile Treppe aus dunklem Holz zu den beiden Schlafzimmern und dem Bad im ersten Stock. Mit gerümpfter Nase lief Rachel durch das Erdgeschoss. Das Wohnzimmer mit seinen antiken Möbeln, den Kissen und Bildern war tadellos aufgeräumt. Sie ging an der Treppe vorbei. Über einer kleinen Ablage hatte Christa eine Weltkarte an der Wand befestigt, auf der bunte Stecknadelköpfe die Reiseziele der ehemaligen Stewardess markierten. Rachel wandte sich ab und betrat die Küche, die alt, aber sauber war. Die einzige moderne Note war die riesige Kühl-Gefrierschrank-Kombination aus Chrom, die Christa bei einem Preisausschreiben gewonnen hatte und die so gar nicht zu den rustikalen Holzmöbeln passte.
    Auf der Suche nach dem Ursprung des widerwärtigen Geruchs blickte sich Rachel rasch um. Sauberes Geschirr auf dem Ablaufbrett, sorgfältig gefaltetes Handtuch, fast neuer Schwamm. Auf den Kochplatten kein Staubkörnchen oder Fettfleck. Alles war sauber und ordentlich. Sie öffnete den Kühlschrank. Nebeneinander aufgereihte Molkereiprodukte und Wurstwaren, die nicht abgelaufen waren, frisches Gemüse. Sie schloss die Tür wieder. Immer verwirrter verließ sie die Küche und ging die Treppe hinauf.
    »Christa?«
    Das Knarren der Holzstufen durchbrach die lastende Stille. Oben angekommen, schien der Geruch noch intensiver geworden zu sein . Von da kommt er also!
    Sie wandte sich nach rechts zum Gästezimmer; seit vier Jahren war es nun Sachas Reich. Sie war schon lange nicht mehr hier gewesen. Als sie die Tür öffnete, quietschte sie leise. Rachel sah sich in dem kleinen Raum um und bemerkte sofort die Veränderungen. Die neue Decke auf dem Bett, den Formel- 1 -Teppich, einen neuen Rollwagen voller Spielzeug und links neben dem Schrank ein kleines Tischchen, vollgestellt mit Nippes. Sie trat näher und entdeckte ein Foto von Niels. Natürlich konnte Christa in ihrem Haus so viele Fotos von ihrem Sohn aufhängen, wie sie wollte, aber ihn vor dem Kleinen zur Schau zu stellen wie einen Heiligen, den er nie kennenlernen würde … das konnte nicht gut sein.
    Rachel nahm sich vor, die Sache mit ihrer Schwiegermutter zu besprechen. Dann entdeckte sie plötzlich, woher der Geruch kam. Hinter einem alten Kruzifix, einem Bild der Heiligen Jungfrau und zwei Porträts von Papst Johannes Paul II . glühte in einem Tonschälchen ein Räucherkegel. Rachel atmete den süß-säuerlichen, sehr unangenehmen Rauch ein. Das ist es also . Sie hielt sich die Nase zu und drückte mit dem Fuß des Kruzifixes den qualmenden Kegel aus, öffnete das Fenster, um zu lüften, und stellte das Schälchen aufs Fensterbrett. Sie kehrte zu dem Tischchen zurück und runzelte die Stirn. Als sie das Kruzifix angehoben hatte, hatte sie dahinter anderen Nippes entdeckt. Das Bild einer schwarzen Madonna, mehrere hölzerne Rosenkränze, exotische Amulette ungewisser Herkunft, Passbilder von Sacha in einem Metallrahmen … Rachel schüttelte den Kopf. All dieser Kram hat nichts in einem Kinderzimmer zu suchen ! Da brauchte man sich nicht über die Albträume zu wundern. Hinter dem Heiligenbild sah sie ein leeres Plastikröhrchen. Das gibt’s doch nicht !
    Das Etikett war halb abgerissen, doch man erkannte noch die Worte ›Natural Oil Fish‹.
    Bekümmert schüttelte Rachel erneut den Kopf.
    2006 hatte Christa in Los Angeles einen Vorrat dieser Kapseln gekauft. Sie hatte sich von einer Freundin beeinflussen lassen und eine Kur begonnen. Und sie hatte auch Rachel, die damals schwanger war, davon überzeugt, dreimal täglich eine Kapsel zu nehmen, um dem Baby etwas Gutes zu tun. »Fischöl ist wichtig für die Entwicklung des Fötus.«
    Rachel schluckte. Der Arzt hatte nichts dagegen gehabt, und sie hatte in dem Glauben an die positive Wirkung die vergifteten Tabletten genommen. Wer war schuld? Weder sie noch der Arzt, noch Christa.
    Sie hatte Niels ’ Mutter

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