Wehrlos: Thriller
Physiotherapeuten brauchst, sag es mir. Ich kenne einige, die sich hervorragend um Sacha gekümmert haben.«
»Geht es ihm gut?«
»Ihm schon, aber Christa macht mir Sorgen. Ich habe komische Sachen bei ihr gefunden.« Sie seufzte. »Nichts Schlimmes, ich nehme an, nur eine vorübergehende mystische Phase.«
Sie zwang sich, nicht mehr an Christas Haus, den improvisierten Altar im Zimmer ihres Sohnes und das Glas mit dem widerwärtigen Inhalt zu denken. Ganz zu schweigen von dem Zerberus, der es mit Sicherheit nicht versäumen würde, ihre Nachbarin über das Eindringen ihrer Schwiegertochter zu informieren. Außerdem musste sie den Reed-Bericht fertig schreiben. Sie war zu spät dran, und Angst stieg in ihr auf.
»Peter hat mir erzählt, dass es Karl schlecht geht«, sagte Paula traurig.
»Ja, das ist furchtbar. Er war da, um zu helfen, die Tiere zu verteidigen, und nun das. Ich besuche ihn nachher.«
Als Rachels Kinn zu zittern begann, trat Paula zu ihr und nahm sie in den Arm.
Nachdem sie sich wieder gefasst hatte, schob Rachel den USB -Stick in ihren Computer und öffnete die Datei »Eiche und Schilfrohr«. Sie löschte alle Daten auf ihrer Festplatte und speicherte sie auf dem Stick. Sollte jemand auf die Idee kommen, ihre Dateien zu durchsuchen, würde er nichts finden. Sie machte sich an die Korrektur des Berichts, wurde aber sofort vom Klingeln des Telefons unterbrochen.
Ein schrillerer Ton als normal verwies auf einen internen Anruf.
»Rachel?«
»Hallo, Peter.«
»Hauptkommissar Elmquist ist in meinem Büro. Er möchte kurz mit allen sprechen, die auf der Serendipity waren. Kommst du?«
»Ja, sofort.«
Nachdem sie alles auf ihrem USB -Stick gespeichert und die auf dem Computer sichtbare Version gelöscht hatte, ging Rachel hinaus und schloss die Tür hinter sich ab. Vor dem Gespräch mit der Polizei hätte sie gerne mit Peter geredet. Aber dazu war es nun zu spät. Sie sah durch die Scheibe im Büro ihres Chefs einen kahlköpfigen Mann um die fünfzig von hochgewachsener Gestalt, der einen grauen Regenmantel trug. Erst als sie eintrat, bemerkte sie, dass er nicht allein war. Neben ihm saß eine kleine Frau mit dunklem, kurzem Haar, die ihre Aussage protokollieren würde. Die Polizistin stellte sich vor: Natacha irgendwas.
»Sie sind Rachel Karlsen?«, fragte Kommissar Elmquist.
Die Glatze und seine Körperfülle ließen ihn älter erscheinen, in Wirklichkeit musste er etwas über vierzig sein.
»Ja.«
»Mein Kollege hat Sie schon im Krankenhaus befragt, nicht wahr?«
»Genau.«
»Er musste aus persönlichen Gründen Urlaub nehmen, und nun haben wir den Fall in Zusammenarbeit mit unseren Kollegen von den Färöer-Inseln übernommen.«
Rachel wechselte rasch einen Blick mit Peter und nahm den Polizisten gegenüber Platz. Sie war das Opfer, und dennoch fühlte sie sich irgendwie angeklagt – wie jedes Mal seit den Dezemberdemos, wenn sie mit der Polizei zu tun hatte. Im Oktober 2009 hatte das dänische Parlament – die Liberalen und Konservativen mit Unterstützung einer kleinen rechtsextremen Partei namens Dänische Volkspartei – ein neues Gesetz verabschiedet, das der Polizei größere Rechte bei »präventiven« Verhaftungen verlieh. Diese hatte nunmehr die Möglichkeit, die Demonstranten zwölf Stunden festzusetzen, sobald sie sie gesetzeswidriger Handlungen verdächtigte.
Rachel erinnerte sich genau an den Fernsehauftritt des Polizeichefs von Kopenhagen, nachdem das Gesetz verabschiedet worden war. Er hatte laut und deutlich verkündet, das neue Gesetz würde nur in »unkontrollierbaren Situationen« Anwendung finden. Bullshit . Green Growth hatte dieses freiheitsbeschränkende Gesetz verurteilt, das eilig zusammengeschustert worden war, um die sozialen Bewegungen zu kriminalisieren. Allen Protesten zum Trotz war es verabschiedet worden, und vor dem UNO -Gipfel war es zu Hunderten von »präventiven« Festnahmen gekommen. Während der Demonstration im Dezember 2009 waren nicht weniger als eintausendneunhundert Personen verhaftet worden. Seither hatten zweihundertfünfzig von ihnen Strafanzeige gegen die Polizei gestellt. Das Verfahren lief noch.
All das hatte Rachel im Kopf, während sie Hauptkommissar Elmquist zuhörte, der ihr erzählte, man habe den mutmaßlichen Attentäter, einen färöischen Fischer und erbitterten Umweltgegner, festgenommen.
Rachel wollte sich nicht von seiner freundlichen Haltung und seinen schönen Worten einlullen lassen. Er war wie die anderen zu allem
Weitere Kostenlose Bücher