Wehrlos: Thriller
keine Vorwürfe gemacht. Niemand konnte ahnen, was dieses Nahrungsergänzungsmittel enthielt. Aber Christa hatte sich selbst nie verziehen. Rachel seufzte traurig. Sie stellte das Plastikröhrchen zurück. Und in diesem Moment sah sie den gläsernen Joghurtbecher, der mit einem Deckel verschlossen war. Aber was ist … ? Rachel nahm das Glas, trat ans Fenster und musterte seinen Inhalt eingehend. In einer gelben Flüssigkeit schwamm etwas Rötliches. Man hätte meinen können, ein Stück ranziges Fleisch in Gallenflüssigkeit.
»Wer sind Sie?«
Ein elektrischer Schlag durchzuckte Rachel. Eine grässliche Frau mit kohlschwarzem Haar, durch das sich weiße Strähnen zogen, stand in der Tür und sah sie herausfordernd an. Rachel schob das Glas rasch in ihre Tasche.
»Wer sind Sie?«, wiederholte die Frau.
Rachel trat einen Schritt zurück. » Ich bin die Schwiegertochter der Mieterin. Und Sie?«
»Ihre Nachbarin. Ich habe Sie das Haus betreten sehen. Weiß Christa, dass Sie hier sind?«
»Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen, aber sie hat nicht geantwortet.«
»Sie mag es nicht, wenn man bei ihr herumschnüffelt.«
»Ich schnüffle nicht.«
»Ich sage ihr, dass Sie in ihren Sachen gewühlt haben.«
»Ich habe nicht gewühlt.«
»Was haben Sie gesagt, wer Sie sind?«
»Rachel, die Mutter von Christas Enkel.«
Die Frau sah sie misstrauisch an. »Sie sind das also.«
»Was soll das denn heißen?«, fragte Rachel, verärgert über den Ton.
»Gehen Sie jetzt, aber schnell. Ich soll auf das Haus aufpassen.«
»Ich hatte ohnehin nicht vor zu bleiben. Wissen Sie, wann sie zurückkommt?«
»Nein.«
Rachel drückte ihre Tasche an sich und verließ verblüfft das Zimmer.
■ ■ ■
Rachel zählte die Platten auf dem Weg und versuchte, nicht auf die Fugen zu treten; würde sie sie berühren, würden die Dinge eine schlechte Wendung nehmen. Sie presste die Lippen zusammen. Was für eine entsetzliche Person ! Wusste Christa, dass eine ihrer Nachbarinnen den Zerberus spielte? Sie musste wirklich mit ihr reden. Rachel machte sich Vorwürfe, weil sie sich nicht mehr um ihre Schwiegermutter gekümmert hatte. Wann hatte sie mit diesen ganzen Verrücktheiten angefangen? Rachel kam an dem medizinischen Labor gegenüber der Apotheke vorbei, das ganz in der Nähe von Green Growth lag.
Ohne die Entscheidung bewusst getroffen zu haben, kehrte sie um und öffnete die Tür zu dem Labor, das mit Holzimitat und weißem Plastik eingerichtet war. Außer einer Angestellten war nur ein alter Herr da, der auf einem Klappstuhl darauf wartete, an die Reihe zu kommen.
»Sie wünschen?«
Rachel hatte sich nicht überlegt, wie sie die Sache angehen sollte. Also musste sie sich spontan etwas ausdenken.
»Guten Tag, ich wollte fragen, ob Sie den Inhalt dieses Glases analysieren könnten. Ich habe ihn in den Sachen meines Neffen gefunden, und meine Schwester macht sich Sorgen um ihn.«
Der Blick der Angestellten wurde misstrauisch. »Zeigen Sie es mir bitte?«
Als das Glas auf der Theke stand, weiteten sich die geschminkten Augen der Frau. Sie griff nach dem Telefon und sagte leise ein paar Worte. Dann legte sie wieder auf und steckte das Glas in einen Luftpolsterumschlag.
»Ihr Name?«
Nachdem Rachel Namen, Adresse und Telefonnummer angegeben hatte, verabschiedete sie sich. Als sie die Tür hinter sich schloss, fühlte sie sich unbehaglich.
■ ■ ■
Eine Tasse Kaffee in der Hand, sah Paula, wie Rachel ihr Büro betrat. Durch die Glasscheibe beobachtete die Verantwortliche für das Internet, wie ihre Freundin die Tasche auf den Tisch warf und Computer und Lampe einschaltete. Irgendetwas schien Rachel Sorgen zu machen. Natürlich hatte sie gerade einen Anschlag überlebt, aber da war noch etwas anderes. Selbst aus dieser Entfernung spürte Paula ihre Anspannung, die der Freundin eine steile Falte zwischen die Augenbrauen grub und sie die Lippen zusammenpressen ließ. Paula klopfte leise an und öffnete dann die Tür.
» Hej , wie fühlst du dich?«
»Als wäre eine Pferdeherde über mich hinweggetrampelt. Die Ereignisse prasseln von allen Seiten auf mich ein.«
»Hier«, sagte Paula und stellte ihre Kaffeetasse vor ihre Freundin. »Wenn ich dir irgendetwas abnehmen kann, lass es mich wissen.«
»Danke, Paula. Geht es deiner Mutter besser?«
»Ein Oberschenkelhalsbruch. So was dauert lange, aber sie ist schon wieder auf den Beinen, in der Reha sagen sie, dass sie jetzt viel üben muss.«
»Wenn du einen guten
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