Wehrlos: Thriller
zurückzubringen.
Genüsslich schlüpfte sie unter ihre saubere Bettdecke. Sie reckte und streckte die schmerzenden Muskeln und schloss die Augen. War es möglich, dass es sich bei dem Sprengstoffanschlag wirklich um die Einzeltat eines wütenden Fischers gehandelt hatte? Warum hatte die Fremde im Bella Center sie dann auf die Spur von HR gelenkt? Um sie einzuschüchtern? In letzter Zeit war zu vieles passiert. Rachel konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie knipste die Nachttischlampe aus und drehte sich auf die Seite. In Gedanken ging sie noch einmal ihr Gespräch mit von Lommel durch – sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich überzeugend gewesen war. Und er hatte sich nicht verändert. Er erweckte bei ihr noch immer den Eindruck, die Leute zu benutzen und sich dennoch für sie zu interessieren … er war einfach nicht greifbar.
Die Fragen drehten sich in ihrem Kopf. Nahm er es ihr übel, dass sie ihn hatte abblitzen lassen? Nach dem sachlichen Gespräch zu urteilen, offensichtlich ja. Dachte er manchmal noch daran? Gefiel sie ihm noch? Quatsch ! Sie vertrieb diese Gedanken und die Erinnerung an den Reinfall.
In diesem Augenblick sehnte sie sich nach jemandem, der sie zärtlich in die Arme nahm und wie ein Kind wiegte, nach Händen, die ihr Haar streichelten und dann forscher über ihre Schultern glitten, ihre Brüste zärtlich berührten. »Hab keine Angst, schlaf ein«, würde dieser Jemand sagen. »Ich beschütze dich, alles wird gut.« Rachel spürte, wie sich ihre Kehle zusammenzog und Tränen in ihre Augen traten. Sie umklammerte ihr Kopfkissen. Ich bin sicher, dass es irgendwo den Richtigen für mich gibt. Ich muss ihn nur finden . In genau diesem Moment vibrierte ihr Handy. Auf dem beleuchteten Display tauchte folgende Nachricht auf:
Hab dich acht vor deiner Umgebung
RR 21
Rachel fuhr hoch und schaltete das Licht an. Diesmal würde sie nicht aufgeben.
Welche Umgebung? Wer bist du?
Mehr weis ich nich. Bin 1 Freund
Rachel knurrte. Da hält mich jemand zum Narren .
Wer bist du, verdammt noch mal?
Sie wartete eine Viertelstunde, doch das Handy blieb stumm. Dann knipste sie das Licht wieder aus und zwang sich, die Augen zu schließen.
Auf dem erleuchteten Display erschien eine neue SMS :
Jesu
KAPITEL ACHTZEHN
25. August. 14.30 Uhr
Carol, Sachas Schulhelferin, schien heute Morgen nicht in Form zu sein. Rachel erklärte ihr zweimal, dass sie ihren Sohn abholen würde, weil sie einen Termin bei Professor Hansen hatten, doch Carol war stark erkältet, unaufmerksam und müde. Rachel ließ den Motor an und hoffte egoistisch, dass sie den Kleinen nicht anstecken möge.
Heute hatte sie ihr Fahrrad nicht mitgenommen, weil sie später mit Sacha ins Krankenhaus fahren musste und vor der Arbeit unbedingt zu Christa wollte, um ihr die Sachen zurückzubringen. Es war noch früh, und sie hatte Zeit. Während sie Richtung Nyboder fuhr, rief sie über die Freisprechanlage ihre Schwiegermutter an.
»Hallo, hier ist Rachel. Du hast gestern deine Brille und deine Uhr vergessen, ich komme vorbei, um sie dir zu bringen. Vielleicht können wir zusammen einen Kaffee trinken. Bis gleich.«
An der Ampel zog sie das Handy aus der Tasche und las noch einmal die SMS , die sie beim Aufstehen entdeckt hatte.
Jesu
Jesus lag, den letzten Informationen zufolge, im Koma und konnte nicht kommunizieren. Wie hätte er Kontakt mit ihr aufnehmen sollen? Irgendjemand hielt sie zum Narren. Somit wurden all die Drohungen unglaubwürdig.
Verärgert und verunsichert fuhr sie wieder los.
Wenn Christa nicht zu Hause wäre, würde sie ihren Zweitschlüssel benutzen und die Sachen gut sichtbar im Flur platzieren. Nyboder war eines der malerischsten Viertel von Kopenhagen. Es bestand aus fünf, sechs Straßen, an denen sich niedrige ockergelbe Häuser entlangzogen. Die Siedlung umfasste sechshundert Unterkünfte und war 1631 von Christian IV . für die Mitglieder der königlichen Marine erbaut worden. Noch heute waren sie den Familien der Seefahrer – sowohl Fischern als auch Matrosen – vorbehalten.
Rachel parkte am Anfang der Delsinsgarde. Zu Fuß lief sie die gepflasterte Straße entlang, die zu einem lang gestreckten einstöckigen Gebäude führte, das in dem typischen Ockergelb gestrichen war, das man auch als »Nyboder-Ocker« bezeichnete. Das Haus war in verschiedene Häuschen unterteilt, die jeweils über eine eigene Eingangstür und vier mit grünen Läden versehene Fenster verfügten. Das von Christa war das
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