Wehrlos: Thriller
Christianshavn fuhr, kreisten Rachels Gedanken um ihren Bericht. Nach der UN -Klimakonferenz hatte sie mit Jesus’ Unterstützung ihre ganze Kraft auf die Analyse, Auswertung und Interpretation der gefundenen Fakten verwendet. Verbissen hatte sie sich in diese Arbeit gestürzt, die sie wegen des unumgänglichen Stillschweigens auch von den anderen isoliert hatte. Doch nun war der Moment gekommen, der Welt ihr bestens gehütetes Geheimnis zu offenbaren. Sie war unglaublich nervös. Das Wichtigste hatte sie auf diesen vierzig Seiten zusammengefasst. War ihre Darlegung überzeugend? Bei welchen Punkten würde man versuchen, sie in die Knie zu zwingen? Wie würden Hannibal und Henry Reed diesmal reagieren? Alles abstreiten? Mit Nichtbeachtung? Mit Drohungen? Oder würden sie erneut versuchen, ihr Schweigen zu erkaufen? Kaum war sie in den Räumen der Umweltorganisation angekommen, klopfte sie sacht an die verglaste Bürotür ihres Chefs. Dieser war noch immer in die Lektüre der letzten Seiten vertieft, hatte sie aber sogleich zu sich hereingewinkt. Sie nahm auf dem Besucherstuhl Platz, schlug die Beine übereinander und legte die Hände ums Knie, um Haltung zu bewahren. Ihr stachen sofort die vielen grünen Anmerkungen ins Auge, die sich über die Seitenränder des Dossiers verteilten. Ein schlechtes Zeichen. Zumal sein Gesichtsausdruck verschlossen und undurchdringlich war. Sie wurde kleinlaut.
Peter beendete seine Lektüre, hob den Blick und brach das beklemmende Schweigen. »Ich habe zwei Kopien gemacht. Eine habe ich an Hanne weitergeleitet, damit sie den Bericht sofort juristisch überprüft, und die zweite werden wir beide gemeinsam überarbeiten. Ansonsten habe ich sämtliche Spuren im Computer getilgt und vor allem auch keine auf dem Server hinterlassen.«
Rachel räusperte sich und fragte so ungezwungen wie möglich: »Und, was hältst du davon?«
Peter lehnte sich in seinem Sessel zurück, legte die Unterarme auf die Armlehne und formte mit den Händen eine Kuppel. Er war auch heute ganz in Schwarz gekleidet, trug ein T-Shirt mit rundem Halsausschnitt, was ihm die Aura eines Priesters verlieh. Seine Gesichtsmuskeln waren angespannt.
»Ich glaube, du hast da eine kleine Bombe in Händen. Ja, genau das denke ich. Du hast eine verdammt gute Arbeit abgeliefert.«
Rachel musste für einen Moment die Augen schließen, um auch wirklich zu begreifen, dass sie die Prüfung bestanden hatte. Ihre Augen wurden feucht, doch sie riss sich zusammen, um ihre Rührung zu verbergen.
Peter stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch.
»Ich glaube aber auch, dass wir – juristisch gesehen – ein großes Wagnis eingehen. Also müssen wir uns absichern.«
Er deutete mit dem Finger auf das mit Anmerkungen versehene Dokument. »Es gibt ein paar Andeutungen, die wir so nicht stehen lassen können, und Zahlen, die überprüft werden müssen. Zudem habe ich deinen Ton an ein paar Stellen abgemildert. Wir müssen trotz allem vorsichtig sein.«
Er schob den Stapel Papiere zu ihr hinüber, Rachel griff mit feuchten Händen danach. Die Anmerkungen tanzten vor ihren Augen. Sie nickte. »Ich werde es sofort lesen und deine Änderungen einarbeiten.«
»Frag mich, wenn du irgendetwas nicht verstehst. Ich bin bis Mittag sicher im Büro.«
»Hast du Hanne gesagt, dass der Bericht von mir ist?«
»Nein.«
»Gut. Ich möchte nämlich nicht, dass sie sich in ihrem Urteil von Animositäten leiten lässt.«
Peter pflichtete ihr bei. »Auf jeden Fall hast du eine Superleistung abgeliefert, wie immer. Bravo. Es wäre schön, wenn sich hier jeder so ins Zeug legen würde wie du.«
Rachel freute sich über das Kompliment und senkte den Blick. Sie würde doch wohl nicht erröten? Das Lob machte sie zwar verlegen, doch sie hatte so lange auf diesen Moment gewartet, dass sie ihn in vollen Zügen genoss.
Peter fuhr fort: »Jetzt bleibt uns nur noch zu wünschen, dass wir in der Öffentlichkeit ein positives Feedback erhalten, damit der Dreckskerl seine Glaubwürdigkeit vor der Kommission verliert. Heute Nachmittag findet die Pressekonferenz statt.«
»Sagst du den anderen Bescheid?«
»Ich werde gleich Oliver ins Vertrauen ziehen und Paula auch, damit sie die Neuigkeit im Netz verbreiten kann. Mit Hanne sind es dann drei, die hier auf dem Laufenden sind.«
»Und der Maulwurf …«, meinte Rachel sarkastisch.
»Weißt du, ich bin mir nicht sicher, ob wir hier wirklich einen Maulwurf haben«, entgegnete Peter ernst. »Paula hat mir
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