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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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dem Sofa, davon zeugten eine alte Decke und ein zerknittertes Kopfkissen. Als sie prüfend über die Möbel und Gegenstände im Zimmer blickte – zumindest die noch vorhandenen –, entdeckte sie sofort den Rucksack ihres Exfreundes, der vor dem Schreibtisch stand. Es dauerte nicht länger als eine halbe Minute, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. Die ausgedruckten E-Mails waren im oberen Fach des Rucksacks verstaut, dort, wo Niels immer seine persönlichen Dokumente verwahrte. Der große Abenteurer hat also noch immer seine alten Gewohnheiten.

KAPITEL ZWÖLF
    Rachel legte die E-Mails auf der Armlehne des Sofas ab. Ihre Ausbeute bestand aus insgesamt zwanzig beidseitig bedruckten Blättern, Kopien der umfangreichen Korrespondenz der letzten drei Monate zwischen Christa und ihrem Sohn. Auf dem Rückweg war es Rachel gelungen, sich wieder zu beruhigen und sich auf das Wesentliche, nämlich Sachas Gesundheit, zu besinnen. Alles andere waren sinnlose Auseinandersetzungen, die ihr nichts brachten, sondern sie nur Kraft kosteten. Und die brauchte sie im Moment dringend. Doch der Gedanke, dass Niels sich ohnehin gleich nach der Beerdigung wieder auf und davon machen würde, beruhigte sie. Umso besser. Wenn er aus ihrem Leben verschwände, ginge alles endlich wieder seinen gewohnten Gang.
    Ohne ihren Sohn war es merkwürdig still in der Wohnung. Rachel stellte sich vor, wie Sacha während seines Zoobesuchs beim Anblick der Giraffen und Elefanten vor Vergnügen kreischte. Es ging ihm gut, er wusste noch nichts von den Gemeinheiten und Unzulänglichkeiten der Erwachsenen. Und in jenem Moment wurde ihr bewusst, dass sie einen gewaltigen Schritt vorangekommen war. Die letzten Jahre hatte sie mehr oder weniger inständig gehofft, Niels würde seinen Irrtum einsehen und zu ihnen zurückkehren. Nun wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass er wieder ginge, damit sie sich allein um ihre kleine Familie kümmern konnte. Sacha und sie brauchten niemanden, um über die Runden zu kommen und ein glückliches Leben zu führen. Von Niels hatten sie ohnehin nichts mehr zu erwarten. Wie von Zauberhand war die Last auf ihren Schultern verschwunden. Rachel atmete tief durch: Sie war frei.
    Mit einer heißen Tasse Tee machte es sich Rachel auf dem Sofa gemütlich. Auf dem niedrigen Couchtisch vor ihr lagen noch immer die Unterlagen zu ihrem Bericht »Eiche und Schilfrohr« samt Notizen. Sie musste die Sachen unbedingt wegräumen. Aber auch dieses Kapitel wäre bald Schnee von gestern. Sie band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen, als könne sie so klarer denken, und wandte sich wieder Christas E-Mails zu. Wohl war ihr dabei nicht, denn sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie erwartete. Sicher sehr schmerzliche Dinge, die nicht angenehm wären. Rachel war sich durchaus bewusst, dass sie die Privatsphäre von Niels und ihrer Schwiegermutter verletzte, doch falls Christa eine besondere ärztliche Behandlung erwähnt hatte, musste sie das unbedingt in Erfahrung bringen. Sie überflog die Mails, bis sie auf den Namen eines Arztes stieß.
    »Lieber Nils«, schrieb Christa am 1. Februar 2010. »Ich komme gerade vom Kardiologen. Leider sind meine Werte nicht besonders. Er hat mir gesagt, ich müsse mich mehr schonen. Als wenn ich in meinem Alter schon Lust hätte, mich zu Hause einzuschließen! Es kommt überhaupt nicht infrage, dass ich mich lebendig begraben lasse!« Dann erzählte sie ausführlich von ihrem Alltag. Haarklein berichtete sie ihm, was sie alles unternahm, was sie gerade las, wobei sie auch auf die drei Grundprinzipien ihrer Lebensphilosophie zu sprechen kam: Teilen, Gerechtigkeit, Optimismus. Sie beendete die Mail mit dem Satz: »Wo immer du auch gerade bist, bleib gesund und schreib mir!«
    Es folgte Niels’ lapidare Antwort: »Es geht mir gut. Grüße und Küsse aus Neuseeland.«
    Christas zweite E-Mail stammte vom 10. Februar. Rachel schluckte, das war ja an Sachas Geburtstag gewesen!
    »Lieber Nils, wie du weißt, ist heute ein ganz besonderer Tag, denn dein Sohn Sacha wird heute vier Jahre alt. Könntest du ihm nicht eine kleine E-Mail von dort senden, wo du gerade bist?«
    Rachel musste die Mail noch einmal lesen. Im Geiste hörte sie förmlich Christas Stimme. »Jeden Tag bete ich zu Gott, damit du dir deines Verhaltens bewusst wirst und endlich zurückkehrst, um dich um deine Familie zu kümmern. Rachel gibt sich die größte Mühe und arbeitet so viel wie möglich, damit genügend Geld da ist. Nie

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