Weiberabend: Roman (German Edition)
was ihr alle denkt, und es ist mir egal. Meine Jungs sind kostbar. Meine Jungs bedeuten mir alles. Wenn ihr mich deshalb verurteilen wollt, nur zu.«
»Niemand verurteilt dich«, sage ich schwach.
Tam lacht bitter. »Warum gibst du es nicht einfach zu?«
»Wir haben alle unsere Eigenheiten«, sage ich.
»Ja, die haben wir«, sagt sie und nickt. »Wir alle haben Dinge, mit denen wir leben und fertig werden müssen, Und jede von uns gibt ihr Bestes, um am Ball zu bleiben.«
Ich nicke. Ich will, dass wir wieder Freundinnen sind.
»Und ich wollte dir schon längst sagen, dass ich das Schmetterlingsnetz ersetzen werde, das Kieran kaputt gemacht hat, alles klar?«
»Was?«, frage ich, während ich im Stillen Helen dafür verfluche, dass sie ihren verdammten Mund nicht halten kann!
»Meine Jungs erzählen mir eben alles«, sagt sie.
»Das war doch nur ein albernes Schmetterlingsnetz«, sage ich. Aber es klingt jämmerlich.
»Ich werde es trotzdem ersetzen.«
»Bitte, vergiss es einfach«, sage ich. Wie klein und belanglos mir so ein Stab mit einem Stück Netz daran jetzt erscheint, und wie heimtückisch ich sie dafür bestraft habe. Ich weiß nicht, was ich tun soll, um noch etwas zu retten. Ich krame in meinem Vorrat angemessener Erwiderungen herum und suche nach einem versöhnlichen Ansatz.
Bevor ich etwas finde, sagt sie: »Kevin hat mich vor acht Jahren dazu gebracht, ein Kind abtreiben zu lassen.«
Jetzt kann ich ihr wieder in die Augen sehen. Ich rühre mich nicht. Ich sage kein Wort.
Sie fährt fort: »Ich wurde schwanger, und der Zeitpunkt kam ihm ungelegen. Er hat noch studiert. Er war noch nicht bereit für Kinder. Er hat mir versprochen, wenn ich es abtreiben ließe, könnten wir es ein Jahr später wieder versuchen.«
Ich sage immer noch nichts.
Scham flammt in mir auf. Ich bin nervös, und sie kann es spüren. Es war doch nur zweimal. Erotische Träume kann man nicht bewusst steuern. In der Sprache unserer Träume bedeuten sie vermutlich genau das Gegenteil. Davon habe ich nicht einmal Helen erzählt. Ich habe es einfach verdrängt. Es bedeutet gar nichts. Ich halte Kevin immer noch für einen Mistkerl. Ich beneide Tam nicht darum, dass sie mit dem Mann verheiratet ist, von dem ihre Freundinnen heimlich träumen. Mein momentaner Impuls ist, es ihr zu gestehen, aber ich tue es nicht. Etwas anderes entfaltet sich in mir wie saubere Wäsche, eine frische Erkenntnis – Falten glätten sich wie von selbst, und alles, was ich nicht weiß, breitet sich im kleinen Hinterhof meiner vorschnellen Urteile aus.
»Und weißt du, was das Schlimmste daran ist?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Ich habe es getan. Ich habe tatsächlich abgetrieben – eine vollkommen normale, gesunde Schwangerschaft abgebrochen. Weil es meinem Mann ungelegen kam. Er hatte Prüfungen zu schreiben. Es passte ihm gerade nicht.« Ihre Worte klingen abgehackt und bitter.
»Willst du wissen, was es bedeutet, sich selbst zu hassen? Willst du wissen, wie es sich anfühlt, wenn du jeden Tag deines Lebens bereust, dass du ein solcher Feigling warst? Dann sieh mich an.«
Ich atme tief aus und schüttele den Kopf. »Tam, das tut mir schrecklich leid …«
»Ich hätte ihm sagen müssen, er soll sich ins Knie ficken, und ich hätte mein Baby trotzdem bekommen sollen.« Das Gift in ihrer Stimme trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht, und das Wort »ficken« klingt aus ihrem Mund schockierend. Tam sagt »Verflixt und zugenäht!« oder »Scheibenkleister!«, wenn sie wütend ist, wie immer das Vorbild, das beste Vorbild, für ihre Jungs. Aber in diesem Moment merke ich: Sie weiß selbst, dass das kaum verhohlene, alberne Beschönigungen für dreckige Kraftausdrücke sind, deren befriedigende Wirkung man auch mit noch so vielen »Ach, du meine Güte!« nie erreichen wird.
»Du hast getan, was du für richtig hieltest«, sage ich schwach.
»Aber das war nicht gut genug. Das war unverzeihlich.« Sie wird immer lauter.
»Ich finde, du solltest nicht so hart über dich selbst urteilen«, sage ich.
»Ich kann gar nicht hart genug über mich urteilen. Für das, was ich getan habe, sollte ich in der Hölle schmoren.«
»Da bin ich anderer Meinung«, sage ich.
»Und ich bin immer noch mit ihm verheiratet … ist das zu glauben? Ich bin immer noch mit dem Mann verheiratet, der mich ein Kind abtreiben ließ, weil es ihm ungelegen kam.« Dieses Wort ist für sie offensichtlich zu dem geworden, was »Hysterektomie« für Dooly ist. Ein Etikett
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