Weiberabend: Roman (German Edition)
lassen. Aber wer bin ich schon, dass ich hier anfangen würde zu nörgeln, unter Müttern, die es alle besser wissen sollten? Schwach stelle ich ihn in den Kühlschrank, aber wenn er jetzt verdorben ist, ist es ohnehin schon zu spät.
Mit brennenden Augen inspiziere ich das Frühstücksterrain. Meine »Steh-auf-und-koche«-Laune ist hundemüde, aber gebt mir eine halbe Stunde Zeit … Ich schalte den Wasserkocher an, öffne ein paar Schranktüren auf der Suche nach einer Kaffeekanne und finde sie neben einer halb vollen Packung unverschämt teurem Luxuskaffee. Helens Eltern werden mir einen kleinen Schuss Koffein bestimmt nicht missgönnen. Der Wasserkocher schaltet sich dampfend ab. Mein Kopf ist schwerfällig, weil ich zu wenig geschlafen und zu viele Daiquiris getrunken habe. Liz kommt in ihrem braunen Satinnachthemd und roten Lederslippern gähnend in die Küche geschlurft.
»Wie hast du geschlafen?«, frage ich sie.
»Ganz gut«, sagt sie. »Die Matratze war ein bisschen hart, aber ich habe ein paar Stunden geschlafen. Und du?«
»Es geht so«, sage ich, löffle eine doppelte Portion Kaffeepulver in die Glaskanne, und füge dann noch zwei Löffel hinzu. Wir brauchen das jetzt. »Das Sofa war ein bisschen zu weich, und ich konnte nicht einschlafen, aber irgendwann ging es. Ich fühle mich, als hätte ich die ganze Nacht wach mit einem kranken Kind verbracht.« Ich gieße das heiße Wasser in die Kanne und genieße den Duft – wenn das mein Liebhaber wäre, würde ich ihn jeden Morgen nach dem Aufwachen voller Begehren liebkosen. Wer auch immer eine Kaffeebohne sah und daraus die Vision eines rauchigen, langsam gerösteten doppelten Espresso entwickelte, war ein verdammtes Genie. Kaffee ist eine der wenigen Freuden, die das Muttersein mir nicht geraubt hat.
»Welche Ironie«, sagt Liz lächelnd. »Kann ich auch eine Tasse haben?«
Ich drücke den Filter herunter, schenke Liz einen Kaffee ein und schiebe Milch und Zucker zu ihr.
»Keinen Zucker, danke«, sagt sie.
»Natürlich nicht«, sage ich. »Hast du Hunger?«
»Ich bin jetzt noch satt vom Abendessen«, sagt sie.
»Selbst wenn das stimmen würde, Liz, gibt es gewisse Dinge, die du lieber für dich behalten solltest«, tadele ich sie.
Wir nehmen unseren Kaffee und gehen ins Wohnzimmer, wo uns der Morgen erwartet.
Wir setzen uns nebeneinander aufs Sofa mit Blick auf den morgendlichen Hafen. Die Aussicht ist auf einmal scharf umrissen, wie entblößt von diesem nackten Licht. Ich genieße die Stille, die Ruhe, aber mir ist bewusst, dass dies vermutlich der erste Morgen seit Monaten ist, an dem ich kein Kind auf dem Schoß habe, das sich in meine Restbettwärme kuschelt. Ich habe das eigenartige Gefühl, etwas Wichtiges verloren zu haben. Ich schaue auf meine Armbanduhr – es ist acht Uhr fünfundzwanzig, Samstagmorgen. Sicher sind sie schon seit Stunden auf, nerven Frank, damit er ihnen den Fernseher einschaltet (was er auch tun wird), und fragen ihn vielleicht, wann ich nach Hause komme (aber nicht, wenn der Fernseher schon an ist). Es wird nur noch zwei, drei Stunden dauern, bis ich sie wiedersehe. Plötzlich sehne ich mich danach, ihre Stimmen zu hören, aber ich will nicht, dass diese besondere Zeit so schnell vorbeigeht. Ich fange gerade erst an, mich zu entspannen und sie zu genießen.
Um uns herum liegen ausgebrannte Teelichter, und da ist ein Aschenbecher mit den Überresten von nicht weniger als fünf Joints darin. Ereka hatte einen tollen Abend. Das Geschirr haben wir gestern einfach auf dem Couchtisch, einem Beistelltisch und dem Esstisch stehen lassen – wir haben nicht einen Teller in die Spülmaschine geräumt. Wenn ich eine Mutter wäre, und wir die Kinder, dann wäre ich jetzt stinksauer auf uns.
»Meinst du, Tam geht es gut?«, fragt Liz.
»Warum fragst du?«, entgegne ich und wende mich ihr zu. Ihr Gesicht sieht müde aus, aber es hat etwas Bezauberndes, denn ohne das perfekt aufgetragene Make-up und den zu starken Kontrast des harten, dunkelroten Lippenstifts, den sie immer trägt, sieht es längst nicht mehr so ernst aus.
»Mir ist nur aufgefallen, dass sie während unserer Unterhaltung sehr emotional geworden ist, und dann ist sie einfach gegangen, ohne sich zu verabschieden«, sagt Liz.
»Ich bin sicher, es geht ihr gut«, sage ich. »Ich glaube, sie musste nur eine Menge … Kevin ist ein Arschloch, weißt du?« Ich will gerade sagen: »Er hat sie vor acht Jahren zu einer Abtreibung gezwungen«, aber meine Zunge hält
Weitere Kostenlose Bücher