Weiberabend: Roman (German Edition)
Teufel soll das um diese Uhrzeit sein?«, fragt Helen.
»Vielleicht haben deine Eltern beschlossen, früher zurückzukommen?«, mutmaßt Ereka.
»Die haben einen Schlüssel. Außerdem wollten sie erst in zwei Wochen zurück sein«, sagt Helen und geht barfuß zur Tür.
Wir alle warten gespannt.
»Tam!«, hören wir Helen sagen.
»Du meine Güte, was hast du da im Gesicht?«, hören wir Tam ausrufen.
»Schlamm aus dem Toten Meer – und glaub ja nicht, du würdest ohne Gesichtsmaske davonkommen«, sagt Helen.
Tam kommt herein, gefolgt von Helen. Als sie uns sieben im Schlafanzug und mit beschmierten Gesichtern dasitzen sieht, bricht sie in Lachen aus. »Wenn ihr euch nur sehen könntet!«, kichert sie.
»Was machst du denn hier?«, fragt Fiona. »Was ist mit den Jungs, müssen sie nicht zum Kricket? Oder war es Schach?«
»Ich habe Kevin heute Morgen gesagt, dass er sie hinfahren muss«, erklärt sie. »Und bin einfach gegangen.«
»Na, wir freuen uns jedenfalls, dich so schnell wiederzusehen«, sagt Dooly.
»Aber du hättest schon im Schlafanzug kommen müssen«, sagt Helen.
»Möchtest du Kaffee?«, fragt Ereka.
»Nein, danke, ich habe mir Kamillentee mitgebracht, und davon hätte ich jetzt gern eine schöne Tasse.«
Sie schleicht sich in die Küche, um sich Tee zu kochen. Ich versuche, ihren Blick aufzufangen, aber sie weicht mir aus, mit einem seltsamen, halben Lächeln auf den Lippen.
***
Nun ist es an der Zeit, sich zu verabschieden. Abgesehen von Liz, die schon früh gegangen ist, um im Büro nach dem Rechten zu sehen, sind wir übrigen immer noch da und versuchen zu gehen. Wir haben widerstrebend gebadet oder geduscht und uns angezogen, den Geschirrspüler vollgepackt, den Tisch abgeräumt und den Aschenbecher und die Mülleimer geleert. Dann haben wir das restliche Essen aufgeteilt. Wir haben Helens Eltern ein Dankesbriefchen hinterlassen. Die Mädels haben gesagt, ich könne die Tulpen mitnehmen. Ich habe nicht widersprochen, die Stiele in eine Plastiktüte mit ein wenig Wasser gewickelt und das Ganze mit einem Gummiband gesichert.
Wir schleppen unsere Taschen nach draußen und warten, wer von uns als Erste Anstalten zum Aufbruch machen wird. Dooly ist trotz des warmen Vormittags in Lukes Schal eingewickelt. Es gibt keinen Grund, ihm zu erzählen, dass sein Schal die Nacht unter Erekas Stuhl auf dem Boden verbracht hat – ich habe ihn beim Aufräumen dort gefunden. Aber Dooly wäre fähig, es ihm trotzdem zu gestehen, und es den ganzen Nachmittag lang zu bereuen. Helen trägt dieselben Kleider wie gestern – ich glaube, sie hat vielleicht sogar darin geschlafen und nur ihre Stiefel ausgezogen. Ereka hat im Garten von Helens Mutter zwei Gänseblümchen für ihre Mädchen gepflückt und sich je eines hinter ein Ohr gesteckt. Ich habe Tam überredet, ihre Beeren mit nach Hause zu nehmen und ihren Jungs einen Smoothie daraus zu machen. Fionas kleiner Korb ist voller Reste in Alufolie. CJ hat ihre Flasche Wein dabei – wir sind gar nicht dazugekommen, den zu trinken.
Wir absolvieren ein stummes Umarmungsritual, bis jede von uns jede andere zum Abschied an sich gedrückt hat. Die Bänder der Vertrautheit zwischen uns wirken im morgendlichen Sonnenschein zart und vergänglich. Eine Nacht wie die, die wir gerade zusammen verbracht haben, wird wohl so bald nicht wiederkommen, und ich denke jetzt schon mit leichter Nostalgie daran zurück. Ich will dieses Gefühl auffangen, es in einem bunten Marmeladeglas aufbewahren oder irgendwo niederschreiben, aber ich spüre, wie es mir entgleitet. Es war eine außergewöhnliche, ekstatische, herrliche, herzzerreißende Insel in der Zeit, ein Intervall der Bekenntnisse und Anekdoten, Geschichten und Geheimnisse. Ich winke meinen Freundinnen zu, die wie ein Sternbild am Straßenrand aufgereiht stehen, den großen und den kleinen, den dicken und den dünnen, einer Handvoll unbesungenen Heldinnen.
»Wann werden wir acht uns wiederseh’n?«, fragt CJ.
»Mir fällt schon was ein«, sagt Helen. »Vielleicht fahren wir nächstes Mal zusammen übers Wochenende weg?«
»Das wäre fantastisch!«, sagt Fiona.
»Ein ganzes Wochenende – ich weiß nicht«, sagt Tam.
»Kommt darauf an, wann und wo«, sagt Dooly.
»Und wer kommt mit zu Weight Watchers?«, frage ich.
»Ich bin dabei«, sagt Ereka.
»Ich auch.« Dooly nickt.
»Habt ihr nichts Besseres zu tun?«, fragt Helen.
»Bis bald!«, rufe ich noch aus dem Autofenster, als ich davonfahre.
Zwanzig Minuten
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