Weiberabend: Roman (German Edition)
Fahrt in einem eigenartig stillen Auto liegen vor mir, ohne Streitereien und Geschrei vom Rücksitz. Ich rufe vom Handy aus zu Hause an, und Frank geht ans Telefon. »Kann ich von unterwegs etwas mitbringen?«, frage ich.
»Milch und grüne Äpfel«, sagt er. »Aber du brauchst dich nicht zu beeilen – hier ist alles unter Kontrolle«, sagt er.
»Was bedeutet, dass sie mit eckigen Augen vor der Glotze sitzen«, sage ich bedauernd.
»Na ja, nicht ganz, aber fast …«
»Du bist unmöglich!«, sage ich zu ihm.
»Danke, mein Schatz«, sagt er. »Wie ich sehe, hat eine wilde Nacht mit den Mädels dich so weich und liebevoll gemacht, dass man dich kaum mehr erkennt. Verrätst du mir, wie sie das angestellt haben?«
»Wir sehen uns nachher«, sage ich. »Ich muss Schluss machen, ich bin im Auto«, und damit lege ich auf. Sarkastischer Mistkerl.
Als ich an der Tankstelle die Milch und die grünen Äpfel bezahlen will, bemerke ich meine Hände, die kaum als meine zu erkennen sind, mit diesen schrillen roten Fingernägeln. Ich muss unbedingt Nagellackentferner kaufen, zu Hause habe ich keinen. Ich strecke meine Hände aus und betrachte sie. Aaron wird sicher erschrocken fragen: »Was ist mit deinen Händen passiert?« Jamie wird mich anbetteln, ihr auch die Nägel zu lackieren, und wir werden uns dazu heimlich in mein Zimmer schleichen müssen – Frank kann es nicht sehen, wenn kleine Mädchen geschminkt sind. Plötzlich fällt mir auf, dass ich nie erfahren habe, welcher Promi denn nun über viertausend Paar Schuhe besitzt, verdammt. Das wird mich jetzt verfolgen. Vielleicht könnte ich das im Internet recherchieren. Vielleicht finde ich dort auch ein komplett zuckerfreies Rezept für eine Zitronenbaisertorte für Liz …
Joan Armatradings Stimme aus dem Radio schwebt als Hintergrundmusik durch den Shop der Tankstelle. »More … more than one kind of love … there ist more … more than one kind of love.« Als ich an der Kasse in der Schlange stehe, denke ich daran, welche Art von Liebe nötig ist, damit man seinen Schmerz für sich behält, wie Liz es getan hat, damit wir sie nicht wegen ihrer asketischen Existenz bemitleiden; wie Ereka es mit ihrer immerwährenden Sorge um Olivia tut; wie Dooly es tut, der ihre ersehnte Tochter geraubt wurde. Ich denke an die Liebe jener Menschen, die immer versuchen, den Weg frei zu machen für die, die ihnen folgen, wie Tam, die sich nie auf elterlicher Faulheit ausruht. Oder an die Liebe, die es braucht, um den Kopf hochzuhalten und Mut zu beweisen, wie CJ es getan hat, als sie Tom rausgeworfen und damit ein Beispiel für unbestechliche Integrität gesetzt hat. Stumm schüttele ich den Kopf vor Verwunderung über die vielen Arten der Liebe, aus denen wir als Mütter schöpfen müssen – täglich, stündlich, von Minute zu Minute; Liebe, die leicht übersehen wird, aber unerlässlich ist, weil sie die Welt am rechten Platz hält, für unsere Kinder.
Ich will Jamil an der Kasse gerade meinen Zwanzig-Dollar-Schein reichen, als ich plötzlich noch zwei Kit-Kats für die Kinder, einen Mood Ring für Jamie und einen Dinosaurier-Schlüsselring für Aaron dazulege. Es ist fast vorbei. Diese Zeit ohne sie ist beinahe abgelaufen. Ich bin schon fast wieder eine Mami. Ich verlasse den Laden ohne Nagellackentferner, denn den habe ich vergessen.
***
Langsam lasse ich den Wagen vor unserem Haus ausrollen. Ich drehe den Rückspiegel so, dass ich mich darin betrachten kann. Ich sehe fertig aus. Eine Nacht ohne meine Kinder war nicht so erholsam, wie ich sie mir ausgemalt hatte. Ich hole tief Luft und öffne die Fahrertür. Mit meiner Tasche über der Schulter, den leeren Schüsseln in den Armen und den Tulpen ganz oben auf der fayanza gehe ich vorsichtig zur Haustür.
Ich bekomme keine Chance, anzuklopfen oder zu rufen: »Lasst mich bitte rein, ich habe keine Hand frei!«, weil die Tür aufgerissen wird und zwei kleine Körper gegen meine Oberschenkel prallen und sich an meine Hüfte klammern. »Mami ist wieder da!«, sage ich, obwohl es im Gehüpfe und Geschrei untergeht. Genau das, was mich wieder nach Hause gebracht hat.
Nachwort
S echs Wochen nach unserem Mädels-Abend fand Fiona einen Knoten in ihrer linken Brust. Brustkrebs wurde diagnostiziert, und sie musste sich einer radikalen Mastektomie samt Bestrahlung und Chemotherapie unterziehen. Sie verlor ihr prächtiges Haar, aber die Prognose ist gut. Kevin, Tams Ehemann, hat Fionas Brust rekonstruiert und die neuesten Implantate
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