Weiberabend: Roman (German Edition)
leise. Wenn sie mit dieser Antwort nicht zufrieden ist, lässt sie sich das nicht anmerken.
»Ich habe nur Angst, dass dabei alles herauskommen könnte, und dass Carl mich dann verlassen wird. Und dass er die Kinder mitnimmt«, sagt sie.
Ich hole tief Luft. »Liz, mal nicht den Teufel an die Wand«, sage ich. »So eine Therapie kann sich sehr positiv auswirken.«
»Ich weiß nicht, wie positiv Carl die Tatsache auffassen wird, dass ich ihn betrogen habe.« Sie lacht bitter und schaut an mir vorbei aus dem Fenster. Dann schließt sie die Augen und seufzt tief.
»Vielleicht wird er es verstehen«, sage ich. Und zögere. »Und wenn er dich verlassen und die Kinder mitnehmen würde, wäre das denn so schrecklich? Ich meine, du hättest doch immer noch deine Firma …«
Sie öffnet die Augen und sieht mich an, als wäre ich der größte Dummkopf der Schule. »Ich bin vielleicht keine so alltäglich praktische Mutter wir du, Helen oder Tam, aber ich bin immer noch eine Mutter. Sie hüpfen auf meinen Schoß und geben mir nasse Küsse auf die Wange. Ich reiße mir den Arsch auf, damit sie eines Tages finanziell abgesichert sind und tun können, was immer ihnen gefällt – ob sie den Mount Everest besteigen wollen, oder diese Dinger, diese, wie nennt man die gleich … Traumfänger aus Federn und Kristallen basteln. Ohne diese Kinder … ich weiß nicht … Ich will sie nicht verlieren.« Zum allerersten Mal lugt ihre Verletzlichkeit hervor. Sie sieht genauso aus wie die von anderen Leuten.
»Du wirst sie nicht verlieren«, sage ich. »Lüg doch einfach in der Eheberatung. Lass es ihn nicht merken … streite es ab.«
Liz lacht. »Das werde ich versuchen, aber ich kann nichts versprechen. Manchmal ist die Wahrheit einfach stärker als wir …« Sie mustert mich mit schmalen Augen. »Ich soll also lügen, ja? Interessant, das aus deinem Mund zu hören. Sagst du das auch deiner Tochter?«
»Ach, lass den Scheiß, Liz«, sage ich. Und dann: »Wenn sie verheiratet wäre und eine Affäre hätte … ich weiß nicht, vielleicht … Es gibt eben nicht nur Schwarz oder Weiß … Alles ist ein einziges Durcheinander.«
»Würdest du Frank betrügen?«, fragt sie mich und sieht mir dabei direkt in die Augen.
Ich zucke mit den Schultern. »Ich hoffe nicht«, sage ich. »Aber man kann nie wissen …« Dann grinse ich breit. »Es würde mir verdammt schwerfallen, Robbie Williams von der Bettkante zu stoßen.« Ich weiß, dass das die Wahrheit ist; dass ich vor den Kindern vielleicht auf dem schmalen Grat zwischen Treue und Untreue entlangbalanciert bin; ein kleiner Stups hätte mich zu Fall gebracht. Aber jetzt, da ich Mutter bin, stehe ich fest auf der Seite der Treue. Ich bin zu müde, zu beladen, um auch nur nach den Kirschen in Nachbars Garten zu schielen. Aber das erzähle ich Liz nicht. Ich drücke nur ihre Hand. Sie reagiert nicht darauf.
»Weißt du, das Problem war nur, dass meine ganze Selbstachtung und mein Selbstbild durch den Schwangerschaftsdiabetes stark gelitten hatten. Ich habe mich jahrelang so unerwünscht und nicht begehrenswert gefühlt.«
Es entsteht eine längere Pause, während mein Verstand versucht, die Schlinge in diesen Worten zu fassen zu bekommen.
»Was?«, frage ich und sehe sie an.
»Ich habe Diabetes bekommen, während ich mit Brandon schwanger war, und ich war noch lange danach furchtbar krank. Deswegen muss ich aufpassen, was ich esse.«
Der Aufprall der Erkenntnis haut mich um wie ein Schlag in den Magen, und die Innereien meiner Dummheit quellen vor mir auf den Boden.
»Warum hast du keiner von uns je etwas gesagt?«, frage ich.
»Warum soll ich euch damit belasten? Das ist mein Problem. Ich will nicht, dass ihr irgendwelche speziellen Gerichte für mich kocht oder so. Ich komme schon zurecht.«
»Es wäre mir eine Freude, dir etwas Besonderes zu essen zu machen«, sage ich.
»Das ist sehr lieb von dir, aber ehrlich, das ist nicht nötig. Ich habe das Essen einfach hinter mir gelassen. Dabei habe ich früher so gern Süßes gegessen … Besonders Zitronenbaisertorte. Jetzt ist Essen für mich wie Steuern zahlen – ich tue es nur, weil ich es tun muss.«
Am liebsten würde ich jetzt irgendein wirres Geständnis stammeln und sie anflehen, mir zu verzeihen, dass ich sie jahrelang mit stummer kulinarischer Verachtung gestraft habe, dass ich so arrogant war und vorschnelle Schlüsse gezogen habe … Aber hinter uns hören wir Doolys und CJs Stimmen. Meine blasse, schlappe Entschuldigung
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