Weiberregiment
kreischte: »Ach je! Meine armen alten Füße! Die Dinge sind heute nicht mehr das, was sie einmal waren! Herrje!«
Hinter ihm hielt Feldwebel Jackrum seinen Kopf mit beiden Händen.
»Bemerkenswert, Herr«, sagte Maladikt. »Eine verblüffende Verwandlung!«
»Vielleicht war das ein wenig zu alt, Herr«, meinte Polly, obwohl Bluse sie an Tante Hattie nach zwei Dritteln eines Glases Sherry erinnert hatte.
»Glaubst du?«, erwiderte Bluse. »Na, wenn du meinst…«
»Und, äh, wenn du wirklich einem Wächter begegnest, äh, alte Frauen versuchen normalerweise nicht, mit Männern…«
»… rumzuknutschen…«, flüsterte Maladikt, dessen Gedanken offenbar über den gleichen schrecklichen Hang rasten.
»… rumzuknutschen«, beendete Polly den Satz und errötete. Nach kurzem Nachdenken fügte sie hinzu: »Es sei denn, sie haben ein Glas Sherry getrunken.«
»Und du folteft dich beffer rafieren, Herr…«
»Rafieren?«, wiederholte Bluse.
»Rasieren, Herr«, sagte Polly. »Ich lege das Rasierzeug bereit, Herr.«
»Oh, ja. Natürlich. Man sieht nicht viele alte Frauen mit Bart. Abgesehen von Tante Parthenope, wenn ich mich recht entsinne. Und… äh… hat jemand von euch zwei Luftballons?«
»Äh, wozu brauchst du die, Herr?«, fragte Toller.
»Ein großer Busen bekommt immer einen Lacher«, sagte Bluse. Sein Blick glitt über die Gesichter. »Keine gute Idee? Als Witwe Zittrig in
Wie schade, dass sie ein Baum ist
habe ich großen Applaus bekommen. Nein?«
»Ich glaube, Igor könnte etwas, äh, Realistischeres nähen, Herr«, sagte Polly.
»Ja? Nun, wenn du meinst…«, sagte Bluse enttäuscht. »Ich gehe jetzt und bereite mich auf die Rolle vor.«
Er verschwand im einzigen anderen Raum des Gebäudes. Nach einigen Sekunden hörte der Rest der Gruppe, wie er »Herrje, meine Füße!« in verschiedenen kreischenden Tonlagen rief.
Die Rekruten traten aufeinander zu, um sich leise zu beraten.
»Wovon hat er da geredet?«, fragte Toller.
»Vom Theater«, antwortete Maladikt.
»Was ist das?«
»Natürlich eine Abscheulichkeit in Nuggans Augen«, sagte der Vampir. »Es würde zu lange dauern, alles zu erklären, mein liebes Kind. Leute geben vor, andere Leute zu sein, und erzählen eine Geschichte in einem großen Raum, in dem die Welt ein anderer Ort ist. Andere Leute sitzen dort, sehen ihnen zu und essen Schokolade. Sehr, sehr abscheulich.«
»Ich habe einmal ein Kasperletheater im Ort gesehen«, sagte Knaller. »Dann brachten sie den Mann fort, und es wurde eine Abscheulichkeit daraus.«
»Ich erinnere mich daran«, sagte Polly. Offenbar sollten keine Krokodile gezeigt werden, die amtliche Personen fraßen, obwohl bis zu dem Kasperletheater niemand im Ort gewusst hatte, was ein Krokodil war. Die andere Stelle, als der Kasper seine Frau schlug, war ebenfalls eine Abscheulichkeit, weil er dabei einen Stock benutzte, der dicker war als die zugelassenen zweieinhalb Zentimeter.
»Man wird den Leutnant sofort durchschauen«, sagte sie.
»Ja, aber er hört nicht auf unf«, erwiderte Igorina. »Ich werde mir mit Schere und Nadel alle Mühe geben, eine Frau auf ihm zu machen, aber…«
»Wenn
du
über solche Dinge sprichst, Igorina, entstehen dabei sehr seltsame Bilder vor meinem inneren Auge«, meinte Maladikt.
»Entschuldigung«, sagte Igorina.
»Kannst du für ihn beten, Reißer?«, fragte Polly. »Ich glaube, wir brauchen hier ein Wunder.«
Reißer schloss gehorsam die Augen und faltete die Hände. Nach einem Moment sagte sie schüchtern: »Ich fürchte, in diesem Fall ist mehr nötig als nur ein Truthahn.«
»Reißer…«, begann Polly. »Sprichst du wirklich…« Sie brach ab, und ein strahlendes kleines Gesicht sah sie an.
»Ja«, sagte Reißer. »Ich spreche wirklich mit der Herzogin.«
»Ja, ich habe ebenfalls mit ihr gesprochen«, schnappte Toller. »Hab sie einmal angefleht. Aber das dumme Gesicht starrte nur und tat nichts. Sie hat nie dafür gesorgt, dass irgendetwas
aufhört
. All der Kram, all die dummen…« Sie unterbrach sich, als zu viele Worte ihr Gehirn blockierten. »Wie dem auch sei, warum sollte sie mit
dir
reden?«
»Weil ich ihr zuhöre«, sagte Reißer ruhig.
»Und was sagt sie?«
»Manchmal weint sie nur.«
»
Sie
weint?«
»Weil es so viele Dinge gibt, die sich die Leute wünschen, und sie kann sie ihnen nicht alle geben.« Reißer bedachte ihre Zuhörer mit einem ihrer Lächeln, das den Raum erhellte. »Aber es wird alles in Ordnung sein, wenn ich am richtigen Platz
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