Weibliche Lust ohne Tabus
sinkt das Dopamin im Stoffwechsel nämlich rapide ab, und Prolaktin gewinnt die Oberhand. Das führt dazu, dass sich die Partner danach oft zunächst voneinander abwenden, denn das Prolaktin lenkt unsere Aufmerksamkeit auf andere existenzielle Dinge: Jagen und Sammeln, Kräfte sammeln, sich um die Kinder kümmern, Häuser bauen usw.
Der Begriff Prolaktin leitet sich vom lateinischen Wort für »Milch« ab. Tatsächlich ist es ein Hormon, das im Verlauf einer Schwangerschaft für das Wachstum der weiblichen Brustdrüse sorgt und beim späteren Stillen den Milchfluss anregt. Es bereitet uns auf das sogenannte Brutpflegeverhalten vor. Das gilt sogar für Männer. Kurz vor der Geburt eines gemeinsamen Kindes steigen nämlich nicht nur die Prolaktin-Werte der Mutter, sondern auch die des Vaters (wenngleich nicht im selben Maße).
Wenn kein Kind im Anmarsch ist, gilt Prolaktin aber durchaus als Lustkiller. Es macht uns müde und antriebslos, im schlimmsten Fall auch lustlos und depressiv. Weil es ein Stillhormon ist, verhindert ein erhöhter Prolaktin-Spiegel unter anderem den Eisprung und ist damit so eine Art natürliches Verhütungsmittel. Gleichzeitig sorgt dies aber auch dafür, dass wir uns am liebsten ganz allein »einigeln« möchten, dass die Scheide beim Sex trocken ist, dass wir Menstruationsstörungen haben, gar keine Lust auf Sex verspüren und unter Umständen sogar misstrauisch gegenüber dem Partner werden. Tatsächlich ist Prolaktin ein häufiger Trennungsgrund, aber wegen seiner chemischen Natur von Eheberatungsstellen oft unbeachtet.
Fatal ist die gegenseitige Abhängigkeit von aufputschendem Dopamin einerseits und lähmendem Prolaktin andererseits. Sie sind wie die zwei Seiten einer Medaille und bedingen sich gegen seitig. Was die Lust angeht, bedeutet Dopamin: Vollgas geben, während Prolaktin eher für die Vollbremsung steht. Im Team können diese Neurotransmitter im schlimmsten Fall das Ende der Flitterwochen verursachen und dafür sorgen, dass sich die Partner buchstäblich »entzweien«. Das ständige, aber nicht unbedingt gleichzeitige Auf und Ab der beiden Stoffe kann den Eindruck erwecken, dass beide sich so fühlen, als wären sie nicht auf demselben Level. Und das stimmt oft sogar. Denn derjenige, der gerade ein hohes Dopamin-Level hat, will unbedingt Sex, während der Partner, der gerade ein hohes Prolaktin-Level hat, daran gar kein Interesse zeigt. Das Ergebnis: Frust auf beiden Seiten. Derjenige mit Prolaktin-Überschuss fühlt sich unverstanden, gestresst, trostlos und traurig und gibt unbewusst dem Partner die Schuld daran. Derjenige mit Dopamin-Überschuss fühlt sich abgelehnt, nervös, unerfüllt und aggressiv und gibt natürlich auch unbewusst dem Partner die Schuld daran.
Und weil man sich auf einer neurochemischen Ebene nicht wirklich schlecht fühlen kann, projiziert das Gehirn dieses Ungleichgewicht auf die Gefühlsebene. »Wenn sie nur einfach mal damit aufhören würde, ständig an mir herumzunörgeln!«, sagt er zum Beispiel. Und sie: »Wenn er mir nur mal mehr im Haushalt helfen und mich unterstützen würde!« Und so weiter … Das geht manchmal so weit, dass jeder versucht, den anderen zu ändern. Aber damit werden nur die Symptome des partnerschaftlichen Stresses angegangen, aber nicht die Ursachen. Wer käme schließlich auch schon auf die Idee, dass an dem Beziehungsfrust lediglich ein paar unscheinbare Aminosäuren und Peptide schuld sind, während unser Gehirn nach allen möglichen anderen Gründen sucht.
Ändern Sie in diesem Fall vielleicht mal Ihr Sexualverhalten: Zärtliche, erotische Berührungen, die erregen, vielleicht auch Geschlechtsverkehr – aber ohne Samenerguss oder Orgasmus, so wie es die Taoisten empfehlen. Auch wenn Sie es nicht wussten: So gleichen sich die Höhen und Tiefen von Dopamin und Prolaktin wieder an, und die Glückskurve wird sanft. Nicht umsonst sagte Laotse: »Frei von Begierde erkennst du klar das Geheimnis. In Begierde verstrickt, erkennst du nur die Erscheinungsformen.«
Östrogene: Wenn alle Zeichen auf »Empfang« stehen
Geht es um Geschlechtshormone, ist meist zuallererst von Testosteron und Östrogen die Rede. Beide Substanzen, die chemisch ganz ähnlich gebaut sind und unter anderem die sexuelle Lust beeinflussen, zirkulieren sowohl bei Männern als auch bei Frauen im Blut – allerdings in geschlechtsspezifischer Mischung: Bei den Männern herrscht Testosteron vor, bei den Frauen Östrogen. Östrogen ist ein Oberbegriff
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