Weichei: Roman (German Edition)
ich noch sieben Jahre Schutz gegen alles hätte. Außerdem bekäme man nur einmal im Leben Mumps, und das wäre schon im Alter von neun Jahren bei mir über die Bühne gegangen. Selbst auf Nachfrage, was ich mir sonst noch so spritzen lassen könnte, bekam ich als ernüchternde Antwort, dass ich bestens versorgt sei und mir keine Gedanken machen solle. Alles sei prima.
Leicht gesagt. Ihr habt ja auch keinen Piloten auf eurem Partner landen sehen.
Dank meiner weinerlichen Penetranz wurde mir dann aber doch noch von der Arzthelferin angeboten, zum Blutabnehmen vorbeikommen zu können. Das könne schließlich nie schaden. Dankbar für diese Unterbrechung meines Jammer-Zyklus’ habe ich mir daraufhin am Nachmittag gleich mal zwei Ampullen abnehmen lassen. So entleert und noch auf Jahre präventiv geschützt vor Zecken, Hundebissen und Hepatitis liege ich nun also wieder im Bett, starre vor mich hin und höre diese kleine, fiese Stimme in meinem Kopf, die mich unaufhörlich beschimpft: Idiot, bist selbst dran schuld. Du elendes Weichei. Du kannst es Steffi noch nicht einmal wirklich verdenken. Jahrelang hat sie darauf gewartet, dass du ihr einen Antrag machst.
Stimmt.
Wobei das Ticken ihrer biologischen Uhr in den letzten Monaten eher dem stündlichen Glockenschlag des Big Ben glich. Sie sei nun in dem Alter, in dem sie gerne ein Kind und eine gesicherte Zukunft hätte. Beides Dinge, die ich grundsätzlich nicht ablehne, die sich aber bisher eher im Mittelfeld meiner Prioritätenliste wiederfanden. Aber musste sie zu diesem Zweck gleich den gegelten C-Claus zum Vater ihrer
Kinder auserwählen? Und was für Kinder sollen das werden? Sizilianische Mafiosokopien im Miniformat, die im Kindergarten Schutzgeld für Förmchen und Schaufeln am Sandkastenrand erpressen und dabei lächelnd ihre perfekten Milchzähne präsentieren?
Als ich bei diesem Gedanken eine von zahllosen Dosen Bier neben dem Bett abstelle, mache ich im Fernsehen den wahren Anstifter für meine Trennung aus: Johannes B. Kerner.
Gerade wuchtet sich Herr Kerner nach dem morgendlichen Frühstückswursteinkauf beschwingt über den Gartenzaun, um seiner Familie beste Geflügelwurst aufs Brot zu legen. War es vor einigen Tausend Jahren noch ein Mammut, das man erlegte, um die Sippe in der Höhle ernähren zu können, ist es nun fettarme Geflügelmortadella, die die Familie gnädig und glücklich stimmt. Und da ich weder Familie noch einen Gartenzaun besitze, bin ich demzufolge auch kein vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft.
Ich zappe weiter.
Fernsehtechnisch gesehen sind Shrek und ich momentan nicht sehr wählerisch, und so konsumieren wir zu jeder Tages- und Nachtzeit schlichtweg alles. Von den Golden Girls über Night Rider mit David Hasselhoff, als der noch nicht besoffen Burger aus der Pappschachtel fraß, hangele ich mich weiter zu Dokumentationen über geheime Raketenprojekte der Nazis am Bodensee bis zu den beliebtesten Bahnstrecken Vorderasiens . Schließlich kann ich nun endlich mal ohne Steffis Gezicke: Ich kann bei dem Licht nicht schlafen, die Glotze stur durchlaufen lassen. Das ist ein Vorteil. Muss ich mir merken. Ist also nicht alles schlecht am Singleleben. Vielleicht sollte ich eine Pro- und Contra-Liste anfertigen. Das wird mich beruhigen. Was mich hingegen wirklich nervt, sind diese unglaublich dämlichen Quizshows, bei denen man
einen cholerischen Moderator anrufen muss, der wie von Sinnen in die Röhre schreit, dass gleich der Hotbutton zuschlagen werde und es sich nur noch um Sekunden handeln könne. Nach geschlagenen zwanzig Minuten schickt sich der erste durchgestellte Anrufer an, das knallharte Rätsel zu lösen. Das diffizile Fragenkonstrukt besteht aus der Aufgabe, einen weiblichen Vornamen mit vier Buchstaben zu finden, bei dem am Anfang und am Ende ein A stehen muss. Dieser erste, leicht alkoholisiert wirkende Anrufer fragt erst mal, ob er denn nun durchgekommen sei, um dann als Lösungsvorschlag AUDI über den Äther zu lallen. Entweder der Typ hängt noch vom Vorgängerspiel über Automarken in der Leitung oder seine zukünftige Tochter kann sich über viele fragende Augen im Kindergarten freuen.
Wenn solch dämliche Fragen von Sendern mit einer Zuschauerzielgruppe angeboten werden, die einen IQ unter dem eines gerösteten Knäckebrots hat, verstehe ich das ja noch, aber mittlerweile haben selbst die Gewinnspiele in Werbepausen von Länderspielen im Ersten und Zweiten dieses Niveau. Und wer präsentiert dann das Ganze?
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