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Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)

Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)

Titel: Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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schlug sie vor. »Wir müssen weiter nach links, das ist kürzer.«
    »Ja, um in eine Eiskluft zu fallen!« sagte Rudy. »Weißt du nicht besser Bescheid und willst mich führen!«
    »Ich kenne den Weg sehr wohl«, sagte sie, »und habe meine Gedanken bei mir. Die deinen sind wohl unten im Tal. Hier oben muß man an die Eisjungfrau denken, sie ist den Menschen nicht gut, sagen die Menschen.«
    »Ich fürchte sie nicht«, sagte Rudy, »sie mußte mich loslassen, als ich ein Kind war; jetzt, wo ich älter bin, werde ich sie schon loswerden!«
    Und die Finsternis wuchs, der Regen strömte, dann kam Schnee, der leuchtete, der blendete.
    »Reich mir deine Hand, dann werde ich dir beim Aufstieg helfen!« sagte das Mädchen und berührte ihn mit eiskalten Fingern.
    »Du und mir helfen!« sagte Rudy. »Ich habe noch keine Frauenhilfe beim Klettern gebraucht!« Und er schritt rascher aus und ließ sie zurück. Das Schneegestöber schlug wie eine Gardine um ihn zusammen, der Wind brauste, und hinter sich hörte er das Mädchen lachen und singen – das klang ganz sonderbar. Gewiß war es Geisterspuk im Dienste der Eisjungfrau; Rudy hatte davon gehört, damals in seiner Kindheit, als er hier oben übernachtet hatte, auf der Wanderung über die Berge.
    Der Schnee fiel dünner, die Wolke lag unter ihm, und als er zurückschaute, war niemand zu sehen; doch er hörte ein Lachen und Jodeln, das nicht wie von einem Menschen klang.
    Als Rudy endlich jene Stelle im Gebirge erreichte, wo der Pfad direkt hinunter in das Rhônetal führt, erblickte er in dem klaren blauen Streifen Luft, wo fern Chamonix liegen mußte, zwei helle Sterne, die leuchteten und funkelten – und er dachte an Babette, an sich selbst und an sein Glück, und bei diesen Gedanken wurde ihm warm.

VI. Der Besuch in der Mühle
    V ornehme Dinge bringst du ins Haus«, sagte die alte Pflegemutter, wobei ihre seltsamen Adleraugen blitzten und ihr magerer Hals seine merkwürdigen Drehungen noch schneller vollführte. »Das Glück ist mit dir, Rudy! Ich muß dich küssen, mein lieber Junge!«
    Und Rudy ließ sich küssen, doch seinem Gesicht war die Mühe anzusehen, mit der er sich in die Umstände, die kleinen häuslichen Schwierigkeiten schickte.
    »Wie schön du bist, Rudy!« sagte die alte Frau.
    »Setz mir keine Flausen in den Kopf!« sagte Rudy und lachte, aber es freute ihn trotzdem.
    »Ich sage es noch einmal«, erwiderte die alte Frau, »das Glück ist mit dir!«
    »Ja, diesmal will ich dir glauben«, sagte er und dachte an Babette.
    Noch nie hatte er so große Sehnsucht nach dem tiefen Tal gehabt.
    »Jetzt müssen sie wieder zu Hause sein«, sagte er bei sich selbst. »Es ist schon zwei Tage über ihre Ankunftszeit. Ich muß nach Bex!«
    Und als Rudy in Bex eintraf, waren die Müllersleute zu Hause. Sie empfingen ihn freundlich und richteten ihm Grüße von der Familie in Interlaken aus. Babette sprach nicht viel, sie war sehr still geworden, doch ihre Augen waren beredt, das war für Rudy mehr als genug. Der Müller, der sonst gern das Wort führte und daran gewöhnt war, daß seine Einfälle und Wortspiele stets belacht wurden, denn er war doch der reiche Müller, schien jetzt lieber Rudy zuzuhören. Der erzählte Jagdabenteuer, von den Mühen und Gefahren, denen sich die Gemsenjäger auf den hohen Bergspitzen aussetzen mußten, wie man über die unsicheren Schneegesimse zu klettern hatte, die Wind und Wetter an den Felsenrand klebten, wie man an den kühnen Brücken entlangkroch, die das Schneetreiben über die tiefen Abgründe warf. Rudy sah keck aus, und er erzählte mit leuchtenden Augen: vom Jägerleben, von der Klugheit und den kühnen Sprüngen der Gemsen, vom heftigen Föhn und den rollenden Lawinen. Er merkte wohl, daß er den Müller mit jeder neuen Beschreibung mehr für sich einnahm, doch den größten Eindruck machte sein Bericht über die Lämmergeier und die kühnen Königsadler.
    Nicht weit von hier, im Kanton Wallis, gab es ein Adlernest, das so klug unter die überhängende Felsenkante gebaut war, daß sich das Junge darin unmöglich fangen ließ. Ein Engländer hatte vor wenigen Tagen eine ganze Handvoll Gold dafür geboten, wenn Rudy ihm das Junge lebendig beschaffen könnte. »Aber alles hat seine Grenze«, sagte der, »das Adlerjunge ist unerreichbar, ein solcher Versuch wäre Irrsinn.«
    Und der Wein strömte, und die Rede strömte, der Abend erschien Rudy viel zu kurz, und doch war es nach Mitternacht, als er die Mühle nach diesem ersten

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