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Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)

Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)

Titel: Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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ihn irrezumachen, und in der schwarzen, gähnenden Tiefe, auf dem reißenden Wasser, saß die Eisjungfrau selbst, mit ihrem langen, weißgrünen Haar und ihren Todesaugen, die wie zwei Flintenläufe starrten.
    »Jetzt fange ich dich!«
    In einem Winkel des Adlernestes hockte groß und mächtig das Adlerjunge, das noch nicht flügge war. Rudy heftete seinen Blick darauf, hielt sich mit der ganzen Kraft seiner einen Hand fest und warf mit der anderen die Schlinge – der junge Adler war lebendig gefangen, und die Schnur zog sich um seine Beine zusammen. Dann warf sich Rudy die Schlinge über die Schulter, so daß der Vogel ein ganzes Stück unter ihm hing, und hielt sich solange am Sicherheitstau fest, bis seine Fußspitze die oberste Sprosse der Leiter erreichte.
    »Halt fest! Glaub nicht, daß du fällst, dann fällst du auch nicht!« – Das war die alte Weisheit, und er befolgte sie, hielt sich fest, kletterte, war sich ganz sicher, daß er nicht fallen würde, und er fiel nicht.
    Nun ertönte ein Jodeln, so kraftvoll und fröhlich. Rudy stand mit seinem Adlerjungen auf festem Felsengrund.

VIII. Was die Stubenkatze an Neuem erzählen konnte
    H ier ist das Verlangte!« sagte Rudy, beim Müller in Bex eintretend, und stellte einen großen Korb auf den Boden. Als er das Tuch davon abnahm, starrten zwei gelbe, schwarzumrandete Augen heraus und funkelten mit einer solchen Wildheit, als wollten sie sich, wohin sie fielen, recht festbrennen und festbeißen. Das Tier hatte den kurzen, kräftigen Schnabel gierig aufgerissen, sein Hals war rot und flaumig.
    »Das Adlerjunge!« rief der Müller. Babette schrie auf und sprang zur Seite, doch sie konnte den Blick weder von Rudy noch von dem Adlerjungen losreißen.
    »Du läßt dich nicht von ihm küssen!« sagte der Müller.
    »Und Ihr haltet allemal Wort!« sagte Rudy. »Jeder hat seine Eigenart.«
    »Aber wieso hast du dir nicht den Hals gebrochen?« fragte der Müller.
    »Weil ich festgehalten habe«, entgegnete Rudy, »und das tu ich noch immer! Ich halte an Babette fest!«
    »Da mußt du sie erst einmal haben«, sagte der Müller lachend; und wie Babette wußte, war das ein gutes Zeichen.
    »Jetzt wollen wir den jungen Adler aus dem Korb nehmen, das sieht ja gefährlich aus, wie der glotzt! Wie hast du den bloß erwischt?«
    Und Rudy mußte erzählen, und dabei wurden die Augen des Müllers immer größer.
    »Wer soviel Mut und soviel Glück hat wie du, der kann drei Ehefrauen versorgen«, sagte der Müller.
    »Danke, danke!« rief Rudy.
    »Aber Babette hast du noch nicht«, sagte der Müller und schlug dem Alpenjäger scherzhaft auf die Schulter.
    »Weißt du Neues aus der Mühle?« fragte die Stubenkatze die Küchenkatze. »Rudy hat uns das Adlerjunge gebracht und holt sich dafür Babette. Die beiden haben sich geküßt, und der Vater durfte zusehen, das ist so gut wie eine Verlobung. Der Alte hat nicht getreten, sondern die Krallen eingezogen und sich ein Mittagsschläfchen genehmigt und die beiden schmusen lassen. Die haben sich soviel zu erzählen, daß sie bis Weihnachten nicht fertig werden.«
    Und sie wurden auch nicht bis Weihnachten fertig. Das braune Laub wirbelte durch die Luft, der Schnee stiebte im Tal wie auf den hohen Bergen; die Eisjungfrau saß in ihrem stolzen Schloß, das sich zur Winterzeit ausdehnte. Die Felsenwände waren mit einer dünnen Eisschicht überzogen; wo der Bergstrom im Sommer seinen Wasserschleier wehen ließ, hingen klafterdicke, elefantenschwere Eiszapfen, und über den schneebepuderten Tannen funkelten Girlanden aus phantastischen Eiskristallen. Die Eisjungfrau ritt auf dem brausenden Wind über die tiefsten Täler. Sie konnte bis hinunter nach Bex gelangen, weil die Schneedecke so weit reichte, und dort Rudy im Hause sehen, wo er jetzt häufiger war als sonst – er saß bei Babette. Im Sommer sollte die Hochzeit sein; den beiden klangen die Ohren, so oft ihre Freunde davon sprachen. Da schien die Sonne, die prächtigste Alpenrose glühte, die muntere, lachende Babette, schön wie der Frühling, der ihnen bevorstand: dann sollten alle Vögel vom Sommer, vom Hochzeitstag singen.
    »Wie können die beiden bloß so zusammenhocken!« sagte die Stubenkatze. »Jetzt habe ich dieses Miauen satt!«

IX. Die Eisjungfrau
    D er Frühling hatte seine saftiggrüne Girlande aus Walnuß- und Kastanienbäumen aufgehängt, und besonders üppig war sie zwischen der Brücke von St-Maurice und dem Ufer des Genfersees, wo mit rasender Geschwindigkeit

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