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Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)

Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)

Titel: Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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schneebedeckten Bergen strömt die Rhône hervor, und nicht weit von ihrer Mündung in den See liegt eine kleine Insel, ja, sie ist so klein, daß sie vom Ufer wie ein Schiff aussieht. Vor etwa hundert Jahren ließ eine Dame den Felsengrund mit Steinen eindämmen, mit Erde belegen und mit drei Akazienbäumen bepflanzen, die nun die ganze Insel überschatten. Babette war von diesem Fleckchen, das ihr während der ganzen Schiffsreise als das Lieblichste erschien, vollkommen hingerissen – dort müsse man hin, dort sei es gewiß zauberhaft schön, meinte sie. Doch das Dampfschiff fuhr vorbei und legte, wie es sollte, in Vernex an.
    Von hier aus wanderte die kleine Gesellschaft bergauf, zwischen weißen, sonnenbeschienenen Mauern, welche die Weingärten vor der kleinen Gebirgsstadt Montreux einfassen, wo Feigenbäume vor dem Haus des Bauern Schatten spenden und in den Gärten Lorbeerbäume und Zypressen wachsen. Die Patentante wohnte in einer Pension, die auf halbem Wege lag.
    Der Empfang war überaus herzlich. Die Patin war eine große, freundliche Frau mit einem runden, lächelnden Gesicht; als Kind mußte sie ein wahrer raffaelischer Engelskopf gewesen sein, jetzt war sie ein alter Engelskopf, mit silberweißen Löckchen in reicher Fülle. Der junge Vetter, der sie begleitete, war von Kopf bis Fuß ganz weiß gekleidet, hatte vergoldete Haare und so große vergoldete Koteletten, daß sie für drei Gentlemen ausgereicht hätten. Er erwies der kleinen Babette sogleich die allergrößte Aufmerksamkeit.
    Auf dem großen Tisch lagen kostbar eingebundene Bücher, Notenblätter und Zeichnungen verstreut, die Balkontür stand offen zum herrlichen weiten See, der so blank und reglos war, daß sich Savoyens Berge mit kleinen Ortschaften, Wäldern und Schneegipfeln umgekehrt darin spiegelten.
    Rudy, sonst immer keck, lebensfroh und unbefangen, fühlte sich hier gar nicht in seinem Element, wie man so sagt; er bewegte sich, als ginge er auf Erbsen über ein glattes Parkett. Wie mühsam sich die Zeit dahinschleppte, sie schien in einer Tretmühle zu stecken! Und jetzt ein Spaziergang, das war genauso langsam. Um mit den anderen Tritt zu halten, konnte Rudy zwei Schritte vor und einen zurück machen. Sie wanderten zu einer Felseninsel, um sich das alte, düstre Schloß Chillon anzusehen, mit Marterpfahl und Todesgefängnissen, verrosteten Ketten in der Felsenmauer, Steinlagern für die zum Tode Verurteilten und Falltüren, aus denen die Unglücklichen hinuntergestürzt worden waren, um von Eisenspitzen in der Brandung aufgespießt zu werden. Dies zu besichtigen nannten sie ein Vergnügen. Ein Richtplatz war das, durch Byrons Lied in die Welt der Poesie erhoben, das spürte Rudy mit seiner ganzen Seele. Er lehnte sich an den großen steinernen Fensterrahmen, sah auf das tiefe, blaugrüne Wasser und zu der kleinen einsamen Insel mit den drei Akazien – dorthin wünschte er sich und von der ganzen plappernden Gesellschaft frei. Babette dagegen war sehr fröhlich; sie habe sich prächtig amüsiert, sagte sie später und fand den Vetter »complet«.
    »Ja, ein kompletter Maulaffe!« entgegnete Rudy und hatte zum ersten Mal etwas gesagt, das ihr nicht gefiel. Der Engländer hatte Babette zur Erinnerung an Chillon ein kleines Buch verehrt, Byrons Dichtung »Der Gefangene von Chillon«, in die französische Sprache übersetzt, so daß sie es lesen konnte.
    »Das Buch mag ja recht gut sein«, sagte Rudy, »aber dieser feinfrisierte Bursche, von dem du es hast, der hat mir gar nicht gefallen!«
    »Der sah aus wie ein Mehlsack ohne Mehl«, sagte der Müller und lachte über seinen Witz. Rudy stimmte in sein Gelächter ein und fand, das sei gut und richtig gesagt.

XI. Der Vetter
    A ls Rudy ein paar Tage später zu Besuch in die Mühle kam, traf er dort den jungen Engländer an. Babette setzte ihm gerade gekochte Forellen vor, die mit Petersilie herausgeputzt waren – das hatte sie bestimmt selber getan, um ihnen ein prächtiges Aussehen zu verleihen, was gar nicht nötig gewesen wäre. Was wollte der Engländer hier? Was sollte er hier? Sich von Babette bedienen und bewirten lassen? Rudy war eifersüchtig, und das fand Babette lustig; es machte ihr Spaß, alle Seiten seines Herzens zu betrachten, die starken wie die schwachen. Die Liebe war für sie noch ein Spiel, und sie spielte mit Rudys ganzem Herzen, und doch, das muß man sagen, war er ihr Glück, ihr Lebensgedanke, das Beste und Schönste auf dieser Welt. Trotzdem lachten ihre

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