Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
schnitt ihm die dritte Locke ab, um sie für sich aufzubewahren.
Als die Zeit herannahte, daß die Schlange kommen mußte, weckte die Jungfrau den Ritter. Er stand sofort auf. Als das Tier sich nicht so kraftvoll näherte wie die Tage zuvor, ging er eine halbe Stunde lang am Strand auf und nieder. Zuletzt sah er es langsam und schwerfällig ankommen. Er trat etwas beiseite und ließ es wieder auf den Strand. Mit weit aufgerissenem Rachen näherte es sich der Jungfrau, um sie zu verschlingen. Der Ritter trat dazwischen und schlug mit seinem Stock auf die Schlange ein, wieder und wieder, bis sie tot war. Er zog sein Schwert, das ihm an der Seite hing, und schlug der Schlange den Kopf ab. Dann spaltete er sie der Länge nach auf, vom Nacken bis zum Schwanze, teilte sie durch einen Querstrich in der Mitte und ließ sie in fünf Teilen zurück. Nachdem er dies getan hatte, zerhieb er die Fesseln, die die Jungfrau banden, und sagte ihr, sie sollte nun heimkehren. Noch ehe sie Zeit fand zu sprechen, war er auf dem Rücken seines Pferdes.
Mittlerweile drängte alles Volk zum Strande hin auf ihn zu. Ganz hingerissen und dankerfüllt waren sie. Als er merkte, wie sie auf ihn losstürmten, jagte er schleunigst davon. Und da sein Pferd sehr wild und feurig war, mußten sie ihm Platz machen, ob sie wollten oder nicht. Er sprengte durch sie hindurch und ins Freie. Von der Höhe des Hügels entschwand er ihren Blicken, und es wuchs kein Gras unter den Hufen seines Pferdes, während er nun zum Schlosse der Riesen zurückkehrte. Er brachte das Tier in den Stall, wechselte die Kleider wie gewöhnlich und trieb darauf die Kühe heim. Wieder bekam er zu Hause nichts zu essen, da seine Herrin ihn ja nicht leiden mochte. Geduldig wartete er mit seinem Hunger, bis es schließlich späte Nacht geworden war. Da kehrte sein Herr heim. Voller Freude wollte er Seághan mitteilen, daß die Königstochter nun in den drei Tagen gerettet war.
»Es ist mir doch gleich, ob sie’s ist oder nicht«, erwiderte Seághan. »Gib mir nun endlich mein Abendbrot! Es wird Zeit!«
»Hast du es denn noch nicht bekommen?« fragte der Herr.
»Nein, wirklich nicht«, sagte Seághan. »Du hast ja solch eine reizende Frau, die immer nur tut, was ihr gefällt.«
»Wir können sie nicht besser machen, Seághan«, seufzte der Herr und brachte ihm sein Abendessen. Er aß und ging schlafen.
Als sich Seághan am nächsten Morgen erhob, war sein Herr schon auf. Denn es war ihm sehr eilig, zu den ersten zu gehören, die im Königshaus erschienen, um der Jungfrau ihre Aufwartung zu machen. Er ließ Seághan allein, und der trieb das Vieh hinaus. Er ließ die Kühe in den Wald und ging zu seinem Schloß hin. Er putzte und reinigte die Pferde, gab ihnen am Abend Futter und trieb dann wieder die Kühe nach Hause. Sein Herr war schon da.
»Nun, hast du alles gut besorgt, Seághan?«
»Um die Kühe habe ich mich gekümmert.«
»Oh, da sind sie ja! Aber jetzt komm herein, Seághan, damit ich dir dein Abendbrot gebe.«
Als sich Seághan am andern Morgen erhob, sagte sein Herr: »Nun, Seághan, heute mußt du mich begleiten. Denn vom König ist ein Ausruf erlassen, daß jeder aus seinem Reich an den Hof kommen soll. Wer auch der Krieger ist, der ihm seine Tochter vor der Schlange errettete, er bekommt sie zur Frau. Und dann gibt’s dort ein herrliches Fest.«
»Wahrhaftig, ich gehe nicht«, sagte Seághan. »Mich verlangt es gar nicht danach, ich will lieber meine Arbeit verrichten.«
»Oh, wir treiben die Kühe an einen sicheren Ort«, meinte der Farmer.
»Das will ich schon allein besorgen«, gab Seághan zur Antwort, »indem ich sie bewache.«
Der Farmer mußte gehen und Seághan zurücklassen. Er trieb die Kühe hinaus, brachte sie in den Wald der Riesen, ging darauf wieder in seinen Palast und besah ihn sich und seine Pferde, bis der Abend ihn überraschte.
Er trieb dann seine Kühe heim und fand seinen Herrn schon vor.
»Du bist ein guter Kuhhirt«, sagte der.
»Das sagt die Herrin nicht«, meinte Seághan, »sondern daß ich ein schlechter Hirt bin. Aber sie ist noch übler als ich!«
»Kümmere dich nicht drum, was sie sagt. Geschwätz von Frauen besagt gar nichts!«
»O aber doch, in der Tat«, widersprach Seághan. »Ist mir der Hunger kein Beweis dafür, daß sie mir nichts zu essen gab?«
»Recht hast du«, meinte der Herr.
»Ich habe immer recht. Aber seid Ihr nicht sehr bald wiedergekommen? Oder habt Ihr schon das herrliche Fest
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