Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
und lege dein Haupt auf meinen Schoß. Denn noch hast du eine Dreiviertelstunde Zeit, ehe die Schlange kommt.«
Er willigte ein, band sein Pferd an den Baum, legte den Kopf in ihren Schoß und tat, als ob er in tiefen Schlaf fiel. Als sie annahm, er sei fest entschlummert, nahm sie ihm rasch die Kopfbedeckung ab, holte eine kleine scharfe Schere aus der Tasche, schnitt ihm eine Locke vom Scheitel und versteckte sie bei sich.
Als die Zeit um war, vernahm sie aus dem Lärm auf den Anhöhen ringsum, daß die Schlange kam.
Sie rief den Helden an und sprach: »Nun ist es Zeit für dich, Ritter! Sie nähert sich uns!«
Der Recke sprang sofort auf, ergriff seinen Stock und trat an das Ufer des Meeres heran, der Schlange entgegen. Das Meer spaltete sich bergetief zu jeder ihrer Seiten, mit solcher Gewalt kam sie! Jedem, der sie erblickte, jagte sie Entsetzen ein, nur Seághan nicht. Als sie den Kopf heraushob aufs Ufer, stand er davor. Er reckte sich und schlug ihr krachend aufs Haupt mit seinem Stock. Sie sank ins Meer zurück. Alles versammelte Volk jubelte dem Helden nach der vollbrachten Tat zu.
Keiner wußte, ob die Schlange nun kam oder ging. Sie sahen nur, das ganze Meer war von ihrem Blut gerötet. Der Ritter verweilte noch eine Weile am Ufer, bis er sicher war, sie kam den Tag nicht mehr zurück. Danach wandte er sich um, zog sein Schwert, das ihm am Waffenrock hing, und durchschnitt die Stricke, mit denen die Jungfrau gefesselt war. Dabei sprach er: »Kehre nun heim! Heute ist von der Schlange keine Gefahr mehr zu befürchten.«
Mit einem Sprung schwang er sich aufs Pferd und wandte sich dem Hügel zu.
»Geh nicht von uns«, bat die Jungfrau, »sondern begleite mich zu meinem Vater. Er würde dir gern für deine wunderbare Tat Ehren erweisen, und wenn du dich erbarmen willst, schütze mich auch morgen vor dem Schlangenungeheuer.«
»Hoffe auf morgen!« erwiderte Seághan. »Ich muß aber heut nach Hause zurückkehren.«
Und schnell eilte er fort, zur Höhe des Hügels hinauf, und gelangte wieder zum Riesenschloß. Er warf Waffenrüstung und Rock ab und zog seine alten Lumpen an, rieb und reinigte sein Pferd und trieb das Vieh heim.
Erst spät in der Nacht kam sein Herr wieder. Seághan wartete auf ihn und war sehr hungrig. Denn von seiner Herrin bekam er keinen Bissen zu essen. Der Farmer war voller Freuden, als er kam, und darauf begierig, dem Seághan die Tagesereignisse zu berichten.
»Von deinen Neuigkeiten habe ich nichts«, sagte Seághan. »Aber gebt mir zu essen!« Der Herr brachte ihm das Abendbrot.
Als Seághan am nächsten Morgen die Kühe austrieb, rief sein Herr ihn an: »Halt! Seághan! Wir wollen heute die Kühe auf ein anderes Feld treiben, aus dem sie nicht herauskönnen. Du mußt mit mir zum Hafen und das Schauspiel des heutigen Tages betrachten. Nie kam ein Held wie gestern. Ohne Zweifel wird er auch heute erscheinen, und es lohnt sich für jeden Menschen, ihn zu sehen.«
»Auf mein Wort!« rief Seághan. »Ich habe kein Verlangen danach. Solch Schaustück macht mir nicht Spaß. Ja, Herr, Ihr mögt Euch über mich wundern und so etwas Vergnügen nennen. Wenn Ihr Spaß daran habt, ich nicht! Geht nur und mich laßt allein!«
Dem Herrn blieb nichts anderes übrig als zu gehen. Als Seághan nun wußte, er war fort, trieb er die Kühe wieder in den Wald. Eilig ging er zum Palast der Riesen, fand dort Waffenrüstung und Rock des zweiten Riesen und legte sie an, ging schnell zum Stall und fand dort das Pferd. Dann nahm er seinen Stock, stieg aufs Pferd und ritt stattlich von dannen. Pferd und Gewandung waren von anderer Farbe als tags zuvor. Er wandte sich dem Hügel zu und von da aus nach dem Hafen. Sehr bald erreichte er ihn. Die Höhen rings um den Hafen waren schwarz von Menschen. Die Jungfrau war an gleicher Stelle gefesselt wie am vorhergehenden Tage. Seághan eilte auf sie zu und fragte sie, warum sie dort sei. Sie erzählte ihm, was sie dem Ritter von gestern erzählt hatte, und dann, daß am Tage zuvor ein Krieger erschienen war und sie gerettet hatte und daß sie hoffe, er kehre auch diesen Tag wieder, um sie zu beschützen.
»Wenn jener von gestern kommt«, sprach der Ritter, »so lasse ich ihn mit der Schlange kämpfen. Andernfalls will ich mein Bestes für dich tun.«
»Ihr scheint erschöpft zu sein«, sagte sie. »Steigt vom Pferd und bindet es hier an den Baum. Dann legt Euer Haupt in meinen Schoß. Ihr habt noch eine Stunde Zeit, bis die Schlange kommt.«
Indem er vom
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