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Weihnachten mit Maigret

Weihnachten mit Maigret

Titel: Weihnachten mit Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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vergingen. Maigret hatte eine Zeitung aufgeschlagen, seine Frau hatte ihren Platz ihm gegenüber wieder eingenommen und strickte, wobei sie ihre Maschen zählte. Er stieß eine Rauchwolke aus und murmelte:
    »Dabei hast du noch nie mit ihr gesprochen!«
4
    Später sollte Maigret in der Schublade, in die Madame Maigret alle herumliegenden Papiere stopfte, einen alten Briefumschlag wiederfinden, auf dessen Rückseite er im Lauf dieses Tages die Ereignisse mechanisch festgehalten hatte. Erst bei der Gelegenheit fiel ihm an der Untersuchung, die er fast von Anfang bis Ende von seiner Wohnung aus geführt hatte, etwas auf, was er später noch oft als Beispiel zitieren sollte.
    Im Gegensatz zu dem, was sonst so oft geschieht, gab es keinen eigentlichen Zufall, keine wirklich überraschende Wendung. So etwas spielte hier keine Rolle, aber das Glück hatte seine Hand nichtsdestoweniger, und sogar wiederholt, im Spiel, und zwar in dem Sinn, dass jede Information zur rechten Zeit und auf einfachstem, natürlichstem Wege eintraf.
    Es kommt vor, dass Dutzende von Inspektoren Tag und Nacht arbeiten, um eine Information von geringer Bedeutung zu bekommen. Zum Beispiel hätte Monsieur Arthur Godefroy, der Generalvertreter von Zenith in Frankreich, ebenso gut in seine Geburtsstadt Zürich fahren können, um die Weihnachtsfeiertage dort zu verbringen. Er hätte ganz einfach nicht zu Hause sein können. Es wäre auch gut möglich gewesen, dass er von dem Telefongespräch, das am Vortag in seinem Büro wegen Jean Martin geführt worden war, nichts erfahren hätte.
    Als Lucas etwas nach vier Uhr mit vor Kälte gespann ter Haut und roter Nase ankam, hatte ein solch glücklicher Umstand mitgespielt.
    Gerade hatte sich ein dichter, gelblicher Nebel über Paris gelegt, was ziemlich selten vorkommt, und in allen Häusern brannte Licht; die Fenster längs des Boulevards sahen aus wie ferne Schiffslaternen; die Einzelheiten der Wirklichkeit waren so sehr verwischt, dass man darauf gefasst war, das Nebelhorn wie am Meeresufer tuten zu hören.
    Aus dem einen oder anderen Grund - wahrscheinlich wegen einer Kindheitserinnerung - gefiel dies Maigret, genauso wie es ihm gefiel zu sehen, wie Lucas zu ihm hereinkam, seinen Mantel auszog, sich setzte und seine eiskalten Hände über den Ofen hielt.
    Lucas war fast eine Kopie von ihm, er war einen Kopf kleiner, hatte halb so breite Schultern und ein Gesicht, dem er nur mit Mühe einen strengen Ausdruck geben konnte. Nicht aus Wichtigtuerei, sondern durch Anpassung oder aus Bewunderung hatte er schließlich, vielleicht ohne sich dessen bewusst zu sein, seinen Chef in den kleinsten Gesten, in Haltung und Ausdrucksweise nachgeahmt, was hier noch mehr auffiel als im Büro. Selbst seine Angewohnheit, vor dem Trinken an dem Glas mit dem Schlehenschnaps zu riechen...
    Die Wirtin der Pension in der Rue Pernelle war vor zwei Jahren bei einem Unfall in der Metro gestorben. Das hätte die Untersuchung behindern können. Das Personal in solchen Häusern wechselt häufig, und es bestand wenig Hoffnung, dort jemanden zu finden, der Loraine aus jener Zeit vor fünf Jahren gekannt hätte.
    Doch das Glück war auf ihrer Seite. Lucas war auf den ehemaligen Nachtwächter, der jetzt die Pension führte, gestoßen, und der Zufall wollte es, dass dieser früher einmal mit der Sittenpolizei in Berührung gekommen war.
    »Es war einfach, ihn zum Sprechen zu bringen«, sagte Lucas und zündete sich eine Pfeife an, die für ihn viel zu groß war. »Es überraschte mich, dass er das Geld besaß, um von einem Tag auf den anderen das Haus zu kaufen, aber er dient, so erklärte er mir schließlich, als Strohmann für eine hochgestellte Persönlichkeit, die ihr Geld in derartige Geschäfte steckt, selbst aber nicht in Erscheinung treten will.«
    »Was für ein Haus ist das?«
    »Es sieht ordentlich aus. Ziemlich sauber. Im Zwischenstock befindet sich ein Büro. Einige Zimmer werden monatlich, andere wöchentlich vermietet. In der ersten Etage kann man auch Zimmer stundenweise mieten.«
    »Erinnert er sich an die junge Frau?«
    »Ziemlich gut, denn sie wohnte mehr als drei Jahre in dem Haus. Ich habe gemerkt, dass er sie nicht mochte, da Sie furchtbar geizig war.«
    »Erhielt sie von Lorilleux Besuch?«
    »Bevor ich mich in die Rue Pernelle begab, ging ich im Kommissariat des Palais-Royal vorbei, um eine Fotografie von ihm aus den Akten mitzunehmen. Ich zeigte sie dem Pensionsinhaber, und er erkannte ihn sofort.«
    »Besuchte

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