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Weihnachten mit Maigret

Weihnachten mit Maigret

Titel: Weihnachten mit Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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dreißig, ist eher schlank, aber dabei kräftig. Sie trug ein graues Kostüm und einen kleinen beigen Hut. Sie hatte eine Einkaufstasche bei sich. Heute Morgen waren bestimmt nicht sehr viele Wagen unterwegs.«
    »Ist Martin bei Ihnen?«
    »Noch nicht.«
    »Er wird nicht lange auf sich warten lassen. Was den anderen betrifft, diesen Lorilleux, so sind die Leute im Palais-Royal dabei, in den Archiven nachzuforschen. Sie werden die Auskunft jeden Augenblick bekommen.«
    Zu dieser Stunde nahm Jean Martin in Bergerac den Zug. Hielt die kleine Colette wohl ihren Mittagsschlaf? Hinter den Gardinen konnte man die Gestalt von Mademoiselle Doncœur erahnen, die sich wahrscheinlich fragte, womit sich Maigret gerade beschäftigte.
    Aus den Häusern kamen Leute, vor allem Familien mit Kindern, die ihr neues Spielzeug auf den Gehsteigen mit sich herumschleppten. Sicher stand man vor den Kinos Schlange. Ein Taxi fuhr vor. Dann waren Schritte auf der Treppe zu hören. Madame Maigret öffnete die Tür, bevor es geläutet hatte. Die laute Stimme von Torrence fragte:
    »Sind Sie da, Chef?«
    Er schob einen Mann unbestimmbaren Alters ins Zimmer, der mit gesenktem Blick bescheiden an der Wand stehenblieb.
    Maigret holte zwei Gläser aus dem Schrank und füllte sie mit Schlehenschnaps.
    »Zum Wohl«, sagte er.
    Der Mann, dessen Hand zitterte, zögerte und blickte erstaunt und beunruhigt auf.
    »Auf Ihr Wohl, Monsieur Martin. Ich bitte Sie um Entschuldigung, dass ich Sie hierher kommen ließ, aber nun sind Sie ganz in der Nähe, um ihre Tochter zu besuchen.«
    »Ist ihr nichts passiert?«
    »Aber nein. Ich habe sie heute Morgen gesehen, sie spielte ganz lieb mit ihrer neuen Puppe... Du kannst gehen, Torrence. Lucas hat bestimmt Arbeit für dich.«
    Madame Maigret war mit ihrem Strickzeug hinausgegangen und hatte sich im Schlafzimmer auf die Bettkante gesetzt, wobei sie immer noch ihre Maschen zählte.
    »Setzen Sie sich, Monsieur Martin.«
    Der Mann hatte sich nur die Lippen befeuchtet und dann sein Glas auf den Tisch gestellt, warf aber von Zeit zu Zeit einen unruhigen Blick darauf.
    »Machen Sie sich vor allem keine Sorgen, und sagen Sie sich, dass ich Ihre Geschichte kenne.«
    »Ich wollte Colette heute Morgen besuchen«, seufzte der Mann. »Ich hatte mir geschworen, früh ins Bett zu gehen und rechtzeitig aufzustehen, um zu ihr zu gehen und ihr ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen.«
    »Auch das weiß ich.«
    »Es ist immer dasselbe. Ich schwöre mir, nur ein Glas zu trinken, gerade so viel, um mich zu stärken...«
    »Sie haben nur einen Bruder, Monsieur Martin?«
    »Jean, ja, er ist sechs Jahre jünger als ich. Zusammen mit meiner Frau und meiner Tochter ist er der einzige Mensch auf der Welt, den ich liebe.«
    »Ihre Schwägerin mögen Sie nicht?«
    Überrascht und verlegen zuckte er zusammen.
    »Ich kann nichts Schlechtes über Loraine sagen.«
    »Sie haben ihr Ihr Kind anvertraut, nicht wahr?«
    »Ja, das heißt, als meine Frau starb und ich anfing, den Halt zu verlieren...«
    »Ich verstehe. Ist Ihre Tochter glücklich?«
    »Ich glaube, ja. Sie beklagt sich nie.«
    »Haben Sie nicht versucht, wieder auf die Beine zu kommen?«
    »Jeden Abend gelobe ich mir, mit diesem Leben aufzuhören, und am nächsten Tag geht alles wieder von vorne los. Ich bin sogar zu einem Arzt gegangen, und er hat mir Ratschläge gegeben.«
    »Haben Sie sie befolgt?«
    »Ein paar Tage. Als ich wieder zu ihm ging, war er sehr in Eile. Er sagte mir, dass er keine Zeit habe, sich mit mir zu befassen, und ich solle besser in eine Spezialklinik gehen...«
    Zögernd streckte er die Hand nach seinem Glas aus.
    Um ihm die Hemmungen zu nehmen, leerte Maigret sein volles Glas in einem Zug.
    »Ist es nie vorgekommen, dass Sie bei Ihrer Schwägerin einen Mann angetroffen haben?«
    »Nein. Ich glaube nicht, dass man ihr in dieser Beziehung etwas vorwerfen kann.«
    »Wissen Sie, wo Ihr Bruder sie kennengelernt hat?«
    »In einem kleinen Restaurant in der Rue de Beaujolais, in dem er seine Mahlzeiten einnahm, wenn er zwischen seinen Geschäftsreisen in Paris war. Es war ganz in der Nähe seines Büros und des Geschäfts, in dem Loraine arbeitete.«
    »Waren sie lange verlobt?«
    »Das weiß ich nicht genau. Jean war zwei Monate unterwegs, und als er zurückkam, kündigte er mir seine Hochzeit an.«
    »Waren Sie Trauzeuge bei Ihrem Bruder?»
    »Ja. Und Loraine hatte ihre damalige Hauswirtin als Trauzeugin. Sie hat keine Verwandten in Paris. Zu der Zeit war sie bereits

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