Weihnachten mit Maigret
das Gespräch wieder an sich. Man merkte, dass sie es war, die das Kind ausgefragt hatte, ohne auf das geringste Detail zu verzichten, genauso wie sie es war, die daran gedacht hatte, zu Maigret zu gehen.
»>Der Weihnachtsmanns hat Colette gesagt, >bückte sich und schien sich, auf dem Boden hockend, mit irgendetwas abzumühen.<«
»Hatte sie keine Angst?«
»Nein. Sie beobachtete ihn, und heute Morgen sagte sie uns, er habe versucht, ein Loch in den Fußboden zu bohren. Sie glaubte, er wollte durch dieses Loch zu den Leuten, den Delormes, gelangen, die unter uns wohnen. Die Delormes haben einen kleinen Jungen von drei Jahren. Sie fügte hinzu, dass der Kamin sicherlich zu eng dafür sei. Der Mann muss sich beobachtet gefühlt haben. Anscheinend stand er auf und kam ans Bett, auf das er eine große Puppe setzte, wobei er den Finger auf den Mund legte.«
»Hat sie ihn hinausgehen sehen?«
»Ja.«
»Durch den Fußboden?«
»Nein, durch die Tür.«
»In welches Zimmer führt diese Tür?«
»Sie geht direkt auf den Flur. Das Zimmer ist früher vermietet worden. Es ist sowohl mit der Wohnung als auch mit dem Hausflur verbunden.«
»War das Zimmer nicht abgeschlossen?«
»Natürlich war es das«, schaltete sich Madame Martin ein. »Ich lasse das Kind doch nicht in einem Zimmer schlafen, das nicht abgeschlossen ist.«
»Ist die Tür aufgebrochen worden?«
»Wahrscheinlich. Ich weiß es nicht. Mademoiselle Doncœur hat sofort vorgeschlagen, zu Ihnen zu gehen.«
»Haben Sie ein Loch im Boden entdeckt?«
Madame Martin zuckte mit den Achseln, als wäre sie am Ende ihrer Weisheit, aber das ältere Fräulein antwortete für sie:
»Nicht gerade ein Loch, aber man sieht sehr genau, dass die Dielen hochgehoben worden sind.«
»Sagen Sie, Madame Martin, haben Sie eine Ahnung, was sich unter diesen Dielen befunden haben könnte?«
»Nein, Monsieur.«
»Wie lange wohnen Sie schon in dieser Wohnung?«
»Seit meiner Heirat vor fünf Jahren.«
»Gehörte das Zimmer damals schon zur Wohnung?« »Ja.«
»Wissen Sie, wer vor Ihnen dort gewohnt hat?«
»Mein Mann. Er ist achtunddreißig Jahre alt. Als ich ihn heiratete, war er bereits dreiunddreißig und hatte eine eigene Wohnung; wenn er von seinen Reisen nach Paris zurückkam, wollte er in seinen eigenen vier Wänden wohnen.«
»Meinen Sie nicht, dass er Colette vielleicht überraschen wollte?«
»Er befindet sich sechs- oder siebenhundert Kilometer weit weg von hier.«
»Wissen Sie, wo er ist?«
»Höchstwahrscheinlich in Bergerac. Seine Reisen werden im Voraus geplant, und es kommt selten vor, dass er sich nicht daran hält.«
»In welcher Branche arbeitet er?« »Er ist Vertreter für Zenith-Uhren in Zentral- und Südostfrankreich. Es ist ein bedeutendes Unternehmen, wie Sie sicherlich wissen, und er hat eine ausgezeichnete Stellung.«
»Er ist der beste Mann der Welt!« rief Mademoiselle Doncœur und verbesserte sich dann errötend:
»Nach Ihnen!«
»Wenn ich Sie recht verstehe, ist heute Nacht jemand als Weihnachtsmann verkleidet bei Ihnen eingedrungen!«
»Jedenfalls behauptet das die Kleine.«
»Sie haben nichts gehört? Liegen Ihr Zimmer und das des Kindes weit auseinander?«
»Dazwischen befindet sich das Esszimmer.«
»Lassen Sie die Verbindungstüren nachts nicht auf?«
»Das ist nicht nötig. Colette ist nicht ängstlich, und gewöhnlich wacht sie nicht auf. Wenn sie mich rufen möchte, kann sie eine kleine Kupferglocke benutzen, die auf ihrem Nachttisch steht.«
»Sind Sie gestern Abend weggegangen?«
»Nein, Herr Kommissar«, antwortete sie schroff und beinahe beleidigt.
»War niemand bei Ihnen?«
»Gewöhnlich empfange ich in Abwesenheit meines Mannes keinen Besuch.«
Maigret blickte kurz zu Mademoiselle Doncœur hinüber, deren Gesicht unbewegt blieb. Also musste das wohl der Wahrheit entsprechen.
»Sind Sie spät zu Bett gegangen?«
»Gleich nachdem das Radio die Mitternachtsmesse gesendet hatte. Bis dahin hatte ich gelesen.«
»Sie haben nichts Ungewöhnliches gehört?«
»Nein.« »Haben Sie die Concierge gefragt, ob sie für einen Fremden die Tür geöffnet hat?«
Wiederum mischte sich sofort Mademoiselle Doncœur ein:
»Ich habe mit ihr gesprochen. Sie behauptet, nein.«
»Und heute Morgen fehlte nichts bei Ihnen, Madame Martin? Sie haben nicht das Gefühl, dass jemand das Esszimmer betreten hatte?«
»Nein.«
»Wer ist jetzt bei dem Kind?«
»Niemand. Sie ist es gewohnt, allein zu sein. Ich kann nicht den ganzen Tag
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