Weihnachten mit Mama
Geschwindigkeit. Immer mehr Artikel strich ich von der Liste. Fünfhundert Euro? Es war ein sehr euphemistischer Moment gewesen, als ich angenommen hatte, mit dieser Summe wohl auszukommen. Allein die Truthähne mitsamt den Füllungen bewegten sich deutlich im dreistelligen Bereich. Dazu der Wein, der Champagner und noch das eine oder andere Gesöff, mit dem man sich Weihnachten die Dröhnung zu geben pflegt. Südfrüchte kistenweise. Käse laibweise. Brot körbeweise, Baguette zum Aufbacken – eine Delikatesse des Käseladens auf dem Elisabethmarkt, der den beeindruckenden und keinesfalls übertriebenen Namen Le chalet du fromage trägt. Und Kräuter, Kräuter, Kräuter. Es duftete in meinem Korb wie im provenzalischen Garten von Peter Mayle. Und dann die weihnachtlichen Spezereien, keine Ahnung, wozu Mama die brauchte. Sie hatte ja wohl nicht vor, noch die Engelchen zur großen Weihnachtsbäckerei zusammenzutrommeln.
Doch, doch, sollte ich bald erfahren, sie hatte es vor …
Ich könnte einen voluminösen Roman à la Balzac oder Dumas damit füllen, diesen Einkaufsmarathon mit seinen unzähligen Vorhaben und Rückschlägen, mit seinen ganz speziellen Abenteuern und einem Thrill, der meine Stresshormone Tango tanzen ließ, zu schildern. Ersparen Sie es mir. Von Stunde zu Stunde wurde ich erschöpfter, verdrießlicher und genervter. Am Ende schließlich, als ich die letzte vollgepackte Einkaufstüte auf den Küchentisch wuchtete, zog meine Mutter ein unnachahmliches Resümee: »Was du hier alles anschleppst … unglaublich! Weißt du, weniger ist manchmal mehr.«
Mein inzwischen gänzlich überfordertes Gehirn schaffte es nicht mehr, meinem fassungslos offen stehenden Mund den Befehl zum Schließen zu übermitteln.
Irgendwann machte ich Kassensturz und rechnete alle Summen – auch den sündteuren Wein – auf den Quittungen zusammen. Eintausendsechshundertfünfundsiebzig Euro und dreiundvierzig Cent. Kraftlos schob ich Mama den Zettel hin.
Sie warf nur einen kurzen Blick darauf. »Ja?«, fragte sie, mäßig interessiert.
»Das bekomme ich von dir, Mama. Kannst es mir überweisen.«
»Johannes, also wirklich! Du musst mal eines kapieren in deinem Leben: Geld ist nicht alles! Hab ich dir das denn nicht beigebracht?«
7
Für unsere Gäste
ist das Beste gerade gut genug
I n meiner Kindheit gab es ein kleines Buch, das ich liebte wie kein anderes. Leider hatte es nur einmal im Jahr Saison, nämlich im Advent, aber durch diese Wunder ankündigenden Wochen begleitete es mich zuverlässig. Die Himmelsküche , gedichtet und illustriert von Ida Bohatta, gibt es vermutlich auch heute noch, wie Die Häschenschule ein unvergänglicher Klassiker.
Die Himmelsküche ist eines der putzigen Büchlein, in denen entzückende Engelchen Teig kneten und Plätzchen backen: »Die Kinder wüssten gar zu gern, was da die Englein backen. Ob es wohl groß ist oder klein? Ob es recht knusprig schmeckt und fein?« Das hätte ich auch nur zu gern gewusst, als meine Mutter mit den Spezereien, dem Mehl, den Eiern, den Spritz- und Ausstechformen sowie mit Zucker und Zimt die »Himmelsküche« am späteren Nachmittag in unserem trauten Heim nachstellte. Allerdings ging es bei ihr nicht so hübsch gesittet zu wie in Ida Bohattas kindlichem Kosmos. Sondern ganz à la maman . Also chaotisch.
Nun muss gerechterweise gesagt werden, dass Mama eine ganz vorzügliche Köchin ist. Einige der von ihr kreierten und zubereiteten Speisen sind unser aller Leibgerichte. Doch wie man sich zwischen Hunden und Katzen, Puppen und Bären zu entscheiden hat, so scheint es auch mit Kochen und Backen zu sein. Nur wenige Küchenartisten beherrschen beiderlei Handwerk. Und Mama, die exzellente Köchin, ist, so muss geklagt werden, keine exzellente Bäckerin. Irgendwie scheint sie dieses großflächige Arbeiten auf dem mehlbestäubten Tisch und den großen Backblechen zu überfordern. Vielleicht auch die unbedingt erforderliche Akkuratesse des Verzierens. So kunstvoll sie Rouladen füllen und rollen kann, so sehr versagt ihre Fingerfertigkeit vor der backhandwerklichen Fähigkeit, Puderzucker und Liebesperlen exakt zu applizieren.
Am schlimmsten, ja furchterregendsten sind ihre Weckmänner. Kein Advent ohne diese Kerle aus Hefeteig mit Augen und Knöpfen aus Rosinen! Es wurden stets die schauerlichsten Gebilde, wahre Missgeburten, die sich kein Teufel ausdenken könnte. Mama pflegte diese Backwerke sogar zu verschicken, in Luftpolsterfolie verpackt, doch sie
Weitere Kostenlose Bücher