Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
Vom Netzwerk:
in den Husten. Und auch ich hustete.
    »Francis … ah … ja«, sagte mein Vater und setzte eine Miene auf, die vollkommenes Unverständnis ausdrückte.
    »Ja«, sagte meine Mutter, als sei dies das Selbstverständlichste auf Gottes schöner Erde und als müsste alle Welt, also auch wir, den Gast kennen. Sie machte eine einladende Handbewegung. »Kommen Sie doch herein, Francis.«
    Und Francis betrat die Küche, als sei er ein Eindringling, den man nötigte, sich der Polizei vorzustellen. Er blickte jedoch keineswegs schuldbewusst drein, eher neugierig, wie ein Handwerker, der den Gasherd reparieren sollte, und als müsse er sich mit dem Ungetüm vertraut machen, das in der Ecke auf seine Fertigkeiten wartete.
    Doch schon seine Kleidung ließ erkennen, dass Francis kein Handwerker war. Er trug einen Dreiteiler mit einer grauen Weste, ein weißes Hemd und eine Fliege. Sein Haar war kurz geschnitten, seine Bewegungen waren geschmeidig. Und er hatte formvollendete Manieren, als er auf Papa zutrat und ihm die Hand reichte. Und dann meine ergriff und schüttelte. »Sie erlauben … Francis Fairlie, zu Ihren Diensten, Mr Siebenschon.« Ein britischer Akzent, unverkennbar. Er verbeugte sich, was ich ebenfalls mit einer Verbeugung quittierte, allerdings einer ironischen.
    »Sehr erfreut, Mr Fairlie«, sagte ich. »Was verschafft uns das Vergnügen?«
    »Das möchte ich auch gerne wissen«, brummte mein Vater, allerdings kaum verständlich.
    Mama holte zu einer großräumigen Handbewegung aus, als sei damit alles zu erklären. »Francis wird uns … wie er schon sagte … zu Diensten sein «, tirilierte sie. Weder Papa noch mir entging, dass sie mit Mr Fairlie auf vertrautem Fuß zu stehen schien, da sie ihn schon mit Vornamen ansprach.
    »Was für Dienste könnten das sein, am Heiligabend?«, fragte Papa, jetzt wirklich gespannt auf weitere Erklärungen.
    »Nun, Francis wird uns bedienen … heute Abend … nicht wahr?« Sie blickte Mr Fairlie mit glänzenden Augen an. Der deutete erneut eine Verbeugung an und gönnte uns die Andeutung eines Lächelns.
    »Bedienen?«, kam es aus Papas und meinem Mund.
    »Ja, ich habe Francis für heute Abend engagiert«, sprudelte Mama hervor. »Er ist unser Butler.«
    » Unser Butler?«, kam es aus Papas und meinem Mund. War dies eine Komödie, wie sie im Theater des Bayerischen Hofs gespielt wird?
    »Ja, unser Butler«, sagte Mama, nun schon etwas unwilliger, als müsse sie sich für unsere Begriffsstutzigkeit entschuldigen. »Er ist vom Perfect Service , einer sehr renommierten Institution in der Brienner Straße, wo ich ihn … gecastet habe.«
    Sie sagte tatsächlich gecastet . Kommt gleich das Team von der Versteckten Kamera um die Ecke? Oder Heidi Klum? War dies etwa Germanys Next Top-Butler ?
    Papa unterdrückte ein Stöhnen, das er sozusagen in letzter Sekunde in ein erneutes Husten münden ließ. Auch Mr Fairlie räusperte sich wieder, was er, wie wir bald feststellen durften, so ziemlich vor jeder Äußerung oder Bewegung zu tun pflegte.
    »Aber … aber … Betty … seit wann brauchen wir denn einen Butler?«
    »Nur heute Abend, Fritz, nur heute Abend. Es ist Heiligabend, es ist mein fünfundsechzigster Geburtstag, wir erwarten Gäste … Soll ich etwa selber herumgehen und die Suppe austeilen?«
    »Nein … nein, natürlich nicht«, stammelte Papa.
    »Ja, einmal im Leben möchte ich mal bedient werden. Von einem echten Butler. Der weiße Handschuhe trägt. Und der formvollendete Manieren hat. Sie werden unserem kleinen Fest einen würdigen Rahmen geben, nicht wahr, Francis?«
    Mr Fairlie antwortete mit einem Räuspern, einer Verbeugung und einer winzigen, nicht sehr aussagekräftigen Handbewegung. Ein englischer Butler. Der englischste aller Butler, direkt vom Eaton Place. Wenn nicht gar aus dem Buckingham Palace. Immerhin vom Perfect Service . Was immer das war.
    Wie perfekt der Service war, sollte sich noch herausstellen.
    Ich hatte einen Vorwand, um mich der bevorstehenden detailgenauen Instruktion des Butlers zu entziehen: die goldene Tischdecke. Sie musste noch her, und dazu musste ich in die Innenstadt. Die großen Kaufhäuser konnte ich links liegen lassen, da würde ich nur Dutzendware finden, mit der ich Mama nicht unter die Augen treten konnte. Aber es gab zwischen Odeonsplatz und Sendlinger Tor, zwischen Stachus und Isartor durchaus einige große Haushalts-, Dekorations- und Einrichtungsgeschäfte, in denen ich fündig zu werden hoffte. Es ist nur eine Frage der

Weitere Kostenlose Bücher