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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
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haben es sich in den Nebenräumen des Stalls bequem gemacht, und ein besonders vorwitziges lugt aus der Dachluke. Es gibt sogar einen Hund, der sie alle bewacht und den ich diesmal hinter einem Stein hervorschauen ließ.
    Bislang hatte die Beleuchtung der Krippe aus Kerzen bestanden, die strategisch günstig und so, dass sie indirektes Licht gaben, aufgestellt wurden. Dieses Jahr hatte Mama für die Elektrifizierung gesorgt, und ich stand zum ersten Mal vor der Aufgabe, all die Trafos so anzubringen, dass man sie nicht entdecken konnte. Und all die Drähte und Schnüre so zu verstecken, dass sie unsichtbar blieben. Es musste die perfekte Illumination sein; die verschiedenen Lichter wurden so platziert, dass jede Teilszenerie angemessen beleuchtet war. Vom Dachboden baumelte die große Laterne, die hellen Schein auf die Heilige Familie warf. Im Nebengebäude war ein Licht abgestellt, draußen vor der Krippe gab es ein flackerndes Lagerfeuer, um das sich die Hirten scharten, und »auf dem Feld« ein rotes Feuer, über dem ein Kessel aufgehängt war. In diesen Kessel, hatte ich überlegt, würde ich kleine Hütchen Weihrauch oder Tannen- beziehungsweise Weihnachtsduft stecken, wie man sie für Räuchermännchen verwendet. Ich gedachte, das Hütchen in Brand zu setzen, sodass es aus dem Kessel rauchte und duftete. Tja, das Kind im Manne stirbt nie.
    Lange war ich in dieser andächtigen Arbeit versunken. Aus dem elterlichen Schlafzimmer drang lautes Schnarchen, da war ich immer noch damit beschäftigt, das Intervall einzustellen, mit dem die roten und gelben Lichter zuckten und flackerten, dass es eine Freude war. Ich lag mit erhitztem Kopf auf dem Boden wie weiland bei der ersten Spielzeugeisenbahn. Ja, die Freude am Elektrischen, sie verging tatsächlich nicht. Mama hatte schon recht.
    The Night before Christmas – das ist in angelsächsischen Ländern eine unheimliche Nacht voller rätselhafter Schrecken. Mich jedoch erfüllte eine wachsende Vorfreude, als ich die Lichter im Salon löschte und ins Bett kroch. Die Einkäufe waren getan und die Geschenke verpackt, der Weihnachtsbaum war geschmückt, die Krippe aufgebaut, der Salon hergerichtet. Was soll jetzt noch passieren , dachte ich, wenige Sekunden vor dem Einschlafen. Was soll noch passieren? Kein Albtraum, den ich jemals geträumt hatte, hat mir einen Vorgeschmack auf das geboten, was mich, was uns alle erwartete.

13
    Einmal im Leben
möchte ich mal bedient werden
    H eiligabend begann am Morgen mit einem Klingeln. Wir saßen friedlich und nichts ahnend in der Küche und schlürften den ersten Kaffee. Papa – noch in seinem dunkelroten Hausmantel – warf einen entnervten Blick auf die alte Kaminuhr, die auf der Anrichte stand und gerade in dieser Sekunde mit glockenhellem, feinem Klang die Viertelstunde schlug. Viertel nach acht.
    »So früh? Wer um Himmels willen kann das denn sein?«
    »Sicher die Post. Die tragen jetzt rund um die Uhr Pakete aus.«
    »Wer soll uns denn ein Paket schicken?«, grummelte Papa, einen Zigarillo zwischen den Zähnen, den er zu dieser frühen Stunde noch nicht anzuzünden gewagt hatte, während Mama sich kurz entschlossen erhob und zur Wohnungstür eilte. » Ich hab nichts bestellt!«, trompetete er ihr hinterher.
    Sie hatte die Küchentür hinter sich zugemacht, daher war außer Gemurmel, Parkettknarren und einem signifikanten Husten nichts zu hören. Meine Güte, wer beehrt uns denn zu dieser noch nachtschlafenen Zeit und hustet uns schon am frühen Morgen die Hütte voll , dachte ich. Aber es war eher ein Räuspern als ein Husten, allerdings ein rhythmisches, was so oder so auf angegriffene Stimmbänder schließen ließ.
    Flüstern im Flur. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Gast wohl abgelegt hatte und präsentabel war. Dann ging endlich die Tür auf – und herein kam Papa.
    Nun, es war natürlich nicht Papa. Es war sozusagen sein ausgemergelter Zwillingsbruder. Papa nach sechs Wochen Basenfasten. Runderneuert, schlank, drahtig. Und ein paar Jährchen jünger, würde ich sagen.
    Die Ähnlichkeit war frappant. Und noch frappierender war, als Mama den Gast vorstellte, der schüchtern in die Runde nickte.
    »Fritz … Johannes … das ist – Francis.«
    Papa fiel der Zigarillo aus dem Mund, das schien ihm zur Gewohnheit zu werden. Er fluchte, bis er merkte, dass er ihn noch gar nicht angezündet hatte und seinen Hausmantel nicht durch einen Brandflecken verunstaltet haben konnte. Und dann hustete er. Vielmehr: Er rettete sich

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