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Weihnachten mit Mama

Weihnachten mit Mama

Titel: Weihnachten mit Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thanner
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wunderbaren Freundschaft war …
    Ich sollte mich nicht täuschen. Dies war keineswegs das letzte Mal, dass ich den starken Herrn Neureuther vor Weihnachten sah.

12
    Also, ich bin sprachlos …
    D er weitere Abend verlief in ungewohnt trauter Eintracht. Kein böses Wort, keine bissige Bemerkung fiel. Der Weihnachtsbaum war geschmückt und wurde von Papa mit stolz geschwellter Brust präsentiert, und ich darf vermelden, dass niemals ein schöneres Exemplar dieses innigen alten Brauchtums in irgendeinem Wohnzimmer gestanden hat. Er war geradezu von kathedralen Ausmaßen – nun, in der ganzen Pracht, in Rot und Gold, mit den Hunderten von Figürchen, Kerzen, Kugeln, all dem Flitter und Firlefanz, der unser Gemüt stets so weihnachtlich ergreift, sah er noch imposanter aus als in grünem Naturzustand. Das Wunder geschah, als Vater die Verschnürung, die der Baum des besseren Transports wegen wie ein Korsett getragen hatte, aufschnitt und die Edeltanne sich innerhalb von zwei oder drei Sekunden raschelnd entfaltete und eine Wucht und Buschigkeit gewann, die man nicht anders als überwältigend nennen konnte.
    Die Tanne aller Tannen. Dieses Jahr bei Siebenschöns in München.
    Wie sehr die Schmückung Mamas Vorstellungen entsprach, ihre Träume widerspiegelte, war daran zu erkennen, dass sie keinen einzigen ihrer berüchtigten »Änderungsvorschläge« unterbreitet hatte. Sie war – o wie selten war das! – einfach nur einverstanden. Hatte beifällig genickt, und das Leuchten in ihren Augen sprach Bände. Das war ein Baum nach ihrem Geschmack. »Also, ich bin sprachlos …«, sagte sie. Wohl zum ersten Mal in ihrem Leben.
    In die Ecke des Salons schoben wir den Couchtisch und packten die Geschenke darauf. Alles schon eingewickelt in buntes, glitzerndes Papier, alles mit Schleifen und Bändern verziert und mit Kärtchen gekennzeichnet. Hier war bereits ganze Arbeit geleistet worden, sodass ich mich darauf beschränken konnte, das Ganze möglichst hübsch zu drapieren: die großen Pakete nach unten, die kleineren Päckchen nach oben. Eine monumentale Geschenkepyramide. Ich nahm sogar für einen Moment mein mir zugedachtes Geschenk in die Hand, es rappelte dumpf, und es war nicht zu identifizieren. Noch nicht. Wie jedes Jahr seit Kindertagen würde ich mit dem Päckchen noch manches Mal rappeln, um in Erfahrung zu bringen, womit man mich zu überraschen gedachte. Es war mir nie gelungen, das Rätsel zu lösen, und doch ließ ich es nicht bleiben, wie ein ungeduldiger Bub an dem Päckchen zu rütteln. Es war eine Sache der Ehre, vor der heiligabendlichen Bescherung herausfinden zu wollen, welche Gabe einen erwartete. Nie verließ mich die Zuversicht, dieses Jahr würde es klappen.
    Mein Päckchen war ziemlich klein, also verschwand es mitten in der Pyramide. Für einen Augenblick beschlich mich die Befürchtung, es würde sich in Luft auflösen. Vor meinem geistigen Auge öffnete sich die Szene von dreizehn glücklichen Geschenkeauspackern, die Schleifen aufnestelten, Tesafilm entfernten, Schmuckpapier aufrissen und sich dann an dem weideten, was die Siebenschön-Senioren ihnen Hübsches ausgesucht hatten. Und der kleine Johannes stand mit leeren Händen abseits und weinte bitterlich.
    Mit vereinten Kräften vergrößerten Papa und ich den Esstisch. Wir schoben zwei Verbindungsplatten ein, wodurch der Tisch ins Unermessliche wuchs. Er wurde wahrhaft großbürgerlich. Und bot nun Platz für vierzehn Personen. Die goldene Tischdecke allerdings fehlte noch, die würde ich morgen besorgen, wie mir aufgetragen war. Ich schickte Gebete zum Himmel, dass sich irgendwo in der Weihnachtsstadt München eine Tischdecke auftreiben ließ, die irgendwie golden war und irgendwie über fünf Meter lang.
    In der Ecke stand der Sack. Es war mitnichten der härene Sack, wie ihn Sankt Nikolaus oder Santa Claus trug und aus dem die Geschenke nur so hervorquollen. Es war ein blauer Müllsack aus Plastik, und er war bis zum Bersten gefüllt mit Abfall: Verpackungsmaterial, Füllmaterial, Restmaterial. Mit dem, was bei uns von all dem Verzieren und Verschnüren übrig blieb, hätten in einem europäischen Kleinstaat sämtliche Weihnachtsgeschenke eingepackt werden können. Den Sack zu entsorgen, wurde mir aufgetragen, schließlich hatte ich mich mit den Geschirrkisten bewährt. Immerhin war er bei Weitem nicht so schwer, nur unhandlich, als ich ihn rumpel, rumpel wie Christopher seinen Winnie-the-Pooh das Treppenhaus herunterzerrte und ihn zu

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