Weihnachten mit Mama
Dekoration … zur Inszenierung dieses bescheidenen Basars. Ich fürchte, die kann ich Ihnen beim besten Willen nicht überlassen.«
»Aber … aber …« Ich fand keine Worte, um meiner Enttäuschung, so kurz vor der Himmelspforte abgewiesen zu werden, Ausdruck zu verleihen. »Sie können nicht ermessen, was es für mich bedeuten würde, wenn ich diese Decke … jetzt … sozusagen …«
Monsieur Salamander hob mit unendlichem Bedauern die Schultern. Seine Augenbrauen verzogen sich schmerzlich. Zusammen mit dem Lächeln, das er unerschütterlich beibehielt, war dieser Gentleman eine einzige Demonstration des Mitgefühls ob der Enttäuschung und des Schmerzes, die er mir notgedrungen bereiten musste. Auch sein Einstecktuch kam erneut zum Einsatz.
Ich straffte mich, reckte sogar das Kinn. Irgendwie feilschten doch alle diese Orientalen gern, war das nicht allgemein bekannt? Irgendwie gab es doch immer einen Weg. Irgendwie musste ich einfach einen Zugang finden … einen Zugang zu seinen merkantilen Gefühlen.
»Schauen Sie, Monsieur«, setzte ich an, wobei ich mich auf seine Frankophilie einließ, »es ist Weihnachten. Und wissen Sie, was der größte Wunsch meiner Maman ist, die heute Abend zudem ihren fünfundsechzigsten Geburtstag feiert?«
Obwohl Salamander es ahnte, hob er wieder, Nichtwissen vortäuschend, die Schultern.
»Eine … goldene … Decke«, sagte ich mit allem Nachdruck, dessen ich fähig war. »Eine große, eine prächtige, eine überwältigende Tischdecke. Und jetzt, nach Stunden des Umherirrens in diesem hübschen Städtchen, nach so vielen Geschäften, die ich ebenso hoffnungsvoll aufsuchte wie ich sie hoffnungslos wieder verließ, sehe ich dieses Wunderwerk der Webkunst in Ihrem Etablissement. Sind Sie nicht mit mir einer Meinung, dass dies ein Wink des Himmels ist? Dass mich die Sterne des Schicksals zu Ihnen geführt haben?«
Sindar Salamander hatte mir aufmerksam zugehört. Noch immer ließ er mit keiner Miene erkennen, dass dieses Gespräch irgendeinen Sinn hatte. Er nickte nur mehrmals, wie zur Bestätigung, dass alle Welt ausgerechnet seine Decke wolle und dass er schon Dutzende von interessierten Kunden abgewiesen habe, und blickte ergeben nach oben. Dann nickte er wiederum so freundlich, dass ich einfach weitersprach, nur um zu verhindern, dass dieses
Nicken irgendwann in ein Kopfschütteln überging.
»Aber«, unterbrach er mich dann unerschütterlich freundlich, »dies ist gar keine Weihnachtsdecke. Ja, nicht einmal eine Tischdecke, verstehen Sie?«
»Ich verstehe vollkommen. Darauf kommt es auch gar nicht an. Worauf es ankommt … ich meine … was nicht von der Hand zu weisen ist: Diese Decke würde meine Maman unendlich erfreuen. Ich könnte ihr damit die größte Freude auf Erden machen …«
»Sie übertreiben, Monsieur«, wehrte Sindar Salamander bescheiden ab.
»Nein, nein … ich übertreibe nicht. Keineswegs. Es ist Mamans Herzenswunsch … und ich … ich … ich kehre jetzt nach Hause zurück, mit leeren Händen … mit nichts als einem Taschentuch, um ihre Tränen zu trock-
nen.«
Dann … endlich … erbarmte sich mein Engel des Händlers. Er musste ihn mit einem Flügel berührt haben, so sacht, dass der Geschäftsmann es nicht einmal bemerkte. Nur ich hatte es gespürt, dieses beinahe unmerkliche Schmelzen des Widerstands, diese plötzlich aufblitzende Nachgiebigkeit. Monsieur Salamander nickte erneut, er seufzte, einmal kurz, dann tief, als müsse er einen heftigen Trennungsschmerz durchleiden.
»Bitte!«, flehte ich. Und schenkte ihm meinen schönsten Häschenblick. Der hatte unzählige Frauen betört, wie ich irrtümlich annahm, er würde auch diesmal seine Wirkung nicht verfehlen. Dabei setzte ich ihn nicht einmal bewusst, sondern ganz unwillkürlich ein.
Als Sindar Salamander den Blick von mir wandte, schöpfte ich Hoffnung. Und ich wusste gleichzeitig, dass diese Investition in Mamans Weihnachts- und Geburtstagsglück mich ruinieren würde. Was mir vollkommen gleichgültig war, zumindest in diesem seligen Augenblick, als ich Salamanders definitiven Seufzer vernahm, der bereits sein wohlwollendes Einlenken verriet.
»Also, schön … in Allahs, des Allmächtigen, Namen. Im Namen der Freundschaft unserer Völker, des Friedens auf der Welt, was weiß ich … Sie können die Decke , wie Sie es nennen, haben.«
Ich jubelte innerlich auf.
»Danke!«, sagte ich so innig, wie es mir möglich war.
»Aber …«
Jetzt kommt’s , dachte ich.
»Sie hat
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