Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
Väter, oder sie hatten ganz einfach ein Herz für Kinder. Für uns unverständliches Englisch sprechend, drückten sie jedem von uns 2 Tafeln Schokolade und 2 Dosen Fleisch in die Hand. Ehe wir uns richtig versahen, waren sie mit aufheulendem Motor verschwunden. Da standen wir zwei kleinen neunjährigen Mädchen nun auf dem dunklen Marktplatz und hatten einen Schatz im Arm, der damals ein kleines Vermögen wert war. Überglücklich und reich beschenkt liefen wir nach Haus.
Für mich wurde es noch ein richtiger Heiligabend — ein bescheidenes kleines Weihnachtsbäumchen schmückte unsere kleine Stube, ich aß nach vielen Jahren das erste Mal wieder Schokolade, und meine Mutter bereitete aus dem Dosenfleisch ein für damalige Verhältnisse köstliches Weihnachtsessen.
Elisabeth Borchers
Pussy, unser Christkind
Es war am 24. Dezember 1945.
Nach unserer Flucht aus Schlesien hatten meine kleine Tochter und ich Zuflucht gefunden in einer kleinen Baracke.
Es war sehr kalt, und der kleine Kanonenofen gab nicht viel Wärme ab, da ich nur noch etwas Holz hatte. Es war mir noch gelungen, meine letzten Kartoffeln halb gar zu dünsten, ehe er seine Heizkraft verlor. Wir hatten uns in einen alten Militärmantel gewickelt und aßen mit klammen Fingern unsere halbrohen Erdäpfel. Da sagte meine Tochter: «Ich mag das nicht mehr!» und legte den Rest beiseite. Als Trostpflaster zauberte ich noch eine aufgesparte Scheibe Brot hervor.
Da wir keinen elektrischen Strom hatten und nur noch eine Kerze besaßen, saßen wir im Finstern und schauten durchs Fenster, nachdem wir ein Guckloch ins gefrorene Glas gekratzt hatten. Wir entdeckten einen besonders hellen Stern. War es der Stern von Bethlehem? Und dann erzählte ich die Weihnachtsgeschichte, die früher meine Mutter immer vorgelesen hatte. Mich hat sie, wenn ich sie später meinen Kindern vorlas, nie mehr so berührt wie damals, als wir froren und hungerten. «... und wickelten das Kindlein in eine Windel und legten es in eine Krippe mit Stroh», erzählte ich, als wir draußen ein jämmerliches Schreien und Wimmern hörten. Es klang schmerzvoll, und wir waren erschrocken. Im Weidezaun einer nahe liegenden Schafweide hatte sich eine junge Katze verfangen, die vergeblich versuchte, sich zu befreien. Bei meinen Rettungsversuchen kratzte und biß sie mich, aber es gelang mir, ihr zu helfen. Wir bereiteten ihr in einem Karton, gefällt mit Stroh aus unserem Bettstrohsack, ein Lager, und nachdem sie gierig den Kartoffelrest gefressen hatte, schlief sie erschöpft ein.
«Nun haben wir auch ein Christkind!» sagte meine Tochter glücklich.
Eine Nachbarin, die auch nichts hatte, brachte uns noch einen Eimer mit Kohlen und eine selbstgebastelte Puppe. Es waren zwar nicht die Heiligen Drei Könige, die uns Geschenke brachten, aber es wurde eine frohe Weihnacht.
Hildegard Kahlert
Ein Ruß-Gockel zur Friedensweihnacht
Das Ofenrohr war unheimlich lang und zog sich an der Zimmerdecke bis zum Fenster hin. Das Hähnchen in der Bratpfanne auf dem kleinen Kanonenofen war unheimlich klein und hatte meine Mutter doch zwei Rollen Nähseide, 40 Stecknadeln und zwei mit Früchten bemalte Teller gekostet.
Weihnachten 1945. Mit verklärtem Blick sprachen die Erwachsenen von der ersten «Friedensweihnacht», und ich, ein kleines zehnjähriges Mädchen, wußte nicht, was ich mir darunter vorstellen sollte.
Daß ich auch zur «Friedensweihnacht» unter dem Tannenbaum vergeblich nach den langersehnten Rollschuhen mit Kugellager suchte, hatte mich enttäuscht. Dafür entschädigte mich abends ein Gang durch die Straßen meiner zerstörten Heimatstadt, denn überall konnte ich hellerleuchtete Fenster und Straßenlaternen ohne Verdunklung sehen, was mir wie ein richtiges Weihnachtswunder vorkam.
Meine Mutter hatte es geschafft, eine gemütliche Weihnachtsstube zu zaubern. Der Ofen erwärmte den einzigen, provisorisch hergerichteten Raum unseres Hauses und ließ uns vergessen, daß durch die anderen Zimmer nebenan der Winterwind blies. Vierhändig spielte ich mit meiner Mutter Weihnachtslieder auf einem Klavier, das kürzlich noch im ausgebombten Nachbarhaus im Freien gestanden hatte und jetzt bei uns überwintern sollte.
Die Wärme, der Duft des Weihnachtsbratens und die Gewißheit, heute nacht würde es keinen Alarm geben, waren unglaublich angenehm. Das war also «FriedensWeihnacht»!
Da — ein ohrenbetäubender Krach und plötzliche Dunkelheit: «Bomben!» — war mein erster Gedanke! Doch
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