Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
Dutt ist... «Dm kannst gerne kommen», hat mir der Junge gesagt. «Wie stellst du dir denn das vor?» hab ich gefragt. «Soll ich ihn hier über die Feiertage allein lassen?» Da war das Thema dann vom Tisch. — Vielleicht hätte er mich gar nicht vermißt, es lief ja sowieso bloß den ganzen Abend der Fernseher. Die Tiersendung war noch ganz gut, aber dann das über diese Gastarbeiter... «Man kann das wirklich nicht mehr mit ansehen, ewig diese Ausländerprobleme, als ob man den Kopf nicht so schon voll genug hat.» Wie die Türken wohl Weihnachten feiern? Das haben sie im Fernsehen überhaupt nicht gezeigt. Bestimmt nicht mit Baum und so, das sind doch wohl alles Mohammedaner... Na, auf den Baum kommt es auch nicht mehr an, wir haben schon seit Jahren keinen mehr. «Was werden wir beiden Alten uns davorhocken», hatte er gesagt, als der Junge aus dem Haus war. Danach hatten wir die erste Zeit noch einen Adventskranz, später ein paar Tannenzweige, jetzt gar nichts mehr... Blumen von Fleurop. «Ihr habt ja alles...» Ich wäre gerne heute in die Messe gegangen. Er hatte keine Lust, und allein als bald Siebzigjährige nachts auf der Straße, wo man heute soviel liest über all das Furchtbare, was so in der Stadt passiert... Weshalb hab ich ihn eigentlich nicht dazu gebracht, mit mir in die Christmette zu gehen? Er hätte doch auch mal was für mich tun können. Aber das hat er ja nie gemacht... Wie er da liegt und schnarcht... Übermorgen wird er mir wieder die Ohren vollquaken, daß er kein Auge zugemacht hat nach der fetten Gans. Sicher, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir sogar zum Fest Buletten gehabt oder Kartoffelsalat. Aber da habe ich mich dann doch mal durchgesetzt — irgendwie muß unsereins doch auch merken, daß Weihnachten ist. Sicher, jetzt werden wir die nächsten Tage Gans essen müssen, bis sie uns zu den Ohren rauskommt. Und dann habe ich auch noch so eine große polnische genommen. Na, wenigstens sind die besser als diese zähen ungarischen Gänse, auch wenn die ein paar Mark billiger sind, wenn schon, denn schon... «Ach», wird er sagen, «und dann der Geruch in den Klamotten, den wird man ja tagelang nicht los.» Und wennschon, wir gehen doch sowieso nirgends hin, und kommen tut auch keiner, und den Fernseher stört’s nicht... Dieser blöde Schwan direkt vor meinem Schlafzimmerfenster scheint kaputt zu sein, die rote Lampe im Schnabel geht immerfort an — aus, an — aus, an — aus, wer soll denn dabei schlafen. Man müßte die Stadt anrufen: «Sie, Ihr Schwan blinkt die ganze Nacht.» Wenn er nur nicht so penetrant schnarchen würde — he, Gustav, dreh dich mal auf die Seite! Zwecklos, drei Schnarch und auf ein neues. Dickfellig und gefühllos, sogar im Schlaf. Wie spät ist es überhaupt? Halb drei, mein Gott, werd ich heute müde sein den ganzen Tag. Warum eigentlich? Ich könnte doch ausschlafen, mir läuft ja nichts weg. Ich werde einfach liegenbleiben. Soll er sich doch allein sein Frühstück machen. In bald fünfzig Jahren einmal, ist das zuviel verlangt? Jetzt rauscht es über uns. Von den Erdücks war eins auf dem Klo. Sie hat es auch nicht leicht, drei Kinder, und der Mann auf und davon. Aber immer freundlich die Frau, und die Kinder wie aus dem Ei gepellt. Was die wohl Weihnachten machen?... Ich werde sie morgen zu Mittag einladen. Mein Gott, das ist überhaupt die Idee! Ein Glas Rotkraut mehr, ein paar Klöße mehr, das ist doch nicht die Welt. Aber was wird er dazu sagen? Na, was wird schon sein, schlimmstenfalls mault er ein paar Tage. Die werden doch wohl kommen, wenn ich sie frage? Hätt ich bloß eher daran gedacht, jetzt kommt sich die Frau vielleicht wie ein Lückenbüßer vor. Ich tu’s trotzdem, mal muß man ja einen Anfang machen. Ich werd dann besser zum Frühstück aufstehen. Vielleicht, wenn ich es ihm schonend beibringe...
Herbert Jäkel
Weihnachtskommando
Weihnacht 1945, wer erinnert sich schon noch gern daran.
Es war eine schwere Zeit, viel Leid und Elend, doch auch für viele wieder Hoffnung auf ein besseres Leben. Ich war damals gerade 17 und wurde als Kriegsgefangener von den Russen im Herbst 1945 den Polen übergeben. So kam ich dann mit einem Transport nach Katowice in ein Arbeitslager der ehemaligen Ferdinandgrube. Hier mußten wir unter Tage arbeiten, was sehr schwer war, da die Verpflegung in den ersten Jahren sehr schlecht und knapp war. Oft gab es tagelang kein Brot, nur Sauerkrautsuppe (Kapusta) oder Graupen. Da ich mit der
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