Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
Schürze, und dann sah sie mich — zunächst ein Blick der Überraschung, dann Ungläubigkeit, Angst, dann das Begreifen...
Ich ging erst wieder, als ich eine Nachbarin fand, die sich bereit erklärte, alle drei für die Nacht bei sich aufzunehmen. Andere Angehörige waren nicht mehr da. Auf der Rückfahrt ins Büro fuhr ich noch bei unserem Pastor vorbei, und er versprach mir, noch in derselben Stunde die Familie aufzusuchen.
Jetzt, ein Jahr später, auf den Tag genau, stand ich wieder vor dem Haus. Kein Kinderlachen, kein Duft nach Plätzchen alles dunkel. Verdammt, hoffentlich kam ich nicht zu spät. Die Nachbarin hatte recht, die Klingel funktionierte nicht. Über Funk rief ich den Notarzt. Dann rannte ich ums Haus. Da, im Wohnzimmer war ein Lichtschein zu sehen. Ich überlegte nicht lange, ließ alle Vorschriften Vorschriften sein, wickelte meine Jacke um den Arm und schlug die Terrassentür ein. Mit einem Satz hechtete ich ins Wohnzimmer... und starrte in drei entsetzte Augenpaare. Völlig verblüfft blieb ich stehen. Hinter mir kam mein Kollege ins Zimmer. Plötzlich war auch das Martinshorn zu hören. Der Notarzt... Ich brachte kein Wort hervor. Noch bevor ich mich gefaßt hatte, sah mich die junge Frau verstehend an, und sie sagte mit leiser Stimme: «Sie haben doch nicht etwa gedacht, ich... wir... würden so etwas tun? Daß ich denen» — sie zeigte auf die Kinder — «das antun könnte?»
«Aber», stotterte ich, «wieso haben Sie denn das Telefon und die Klingel abgestellt?» Sie antwortete mit noch leiserer Stimme, daß sie kein Mitleid wollte, gerade heute nicht. Sie wollte mit den Jungen feiern, so wie immer, als ihr Mann noch lebte. Ich sah mich um, ein kleiner Baum mit Kerzen, alles liebevoll geschmückt, auf dem Tisch die Weihnachtsgeschichte, aus der sie wohl gerade den Kindern vorgelesen hatte, als ich in das Wohnzimmer einbrach...
Der Polizist schwieg. Auch ich sagte nichts mehr. Beide hingen wir unseren Gedanken nach. Plötzlich Stimmengewirr im Flur. Die Tür wurde aufgerissen, zwei Jungens stürmten in den Raum — hinter ihnen der andere Polizist mit seinem Reservekanister. Er lachte und sagte: «Ich habe hier deine Rangen mitgebracht. Sie gehen deiner Frau ganz schön auf die Nerven. Ich habe ihr versprochen, daß sie bis zum Dienstschluß hierbleiben dürfen. Du sollst aber pünktlich zur Bescherung da sein.» Zu mir sagte er: «Na, junge Frau, dann wollen wir uns mal um Ihr Auto kümmern, damit Sie auch pünktlich zur Bescherung kommen.» Sprach’s und schob mich aus der Tür.
Ich warf noch einen letzten Blick auf meinen Gesprächspartner, der mir zulächelte. Draußen vor der Tür sagte sein Kollege zu mir: «Tja, da staunen Sie, was? Der hat zwei prächtige Kinder.» Vertraulich beugte er sich vor und sagte: «Und stellen Sie sich vor, es sind nur seine Adoptivkinder. Wissen Sie, eigentlich war es eine furchtbar traurige Geschichte, aber dann ist doch eine richtige Weihnachtsgeschichte daraus geworden. Wenn Sie mal wieder hier vorbeikommen, werde ich sie Ihnen gern erzählen.»
Eberhard Baumgart
Da habe ich ja noch einmal Glück gehabt
Kurz vor Weihnachten war es bei uns soweit, daß unser «Großer» abends noch einmal aus dem Bett kam, sich an seine Mutter schmiegte und wehen Herzens fragte, ob es stimme, daß es keinen Weihnachtsmann gäbe. Wir bejahten dies, versuchten seinen Schmerz jedoch dadurch zu versüßen, daß wir meinten, daß jeder Vater, jede Mutter und jedes Kind, die für einen anderen Menschen zu Weihnachten etwas basteln, ja auch eine Art Weihnachtsmann wären. Er dachte lange darüber nach, es leuchtete ihm irgendwie ein, und unbewußt begann er am Daumen zu lutschen.
Plötzlich schreckte er auf: «Dann gibt es wohl auch keinen Osterhasen? Dann macht wohl auch Vati immer die Nester im Garten?» Unsere Bestätigung löste jedoch keine erneute Niedergeschlagenheit aus. Im Gegenteil! Er atmete befreit auf, und man hörte regelrecht einen Stein von seinem kleinen Herzen fallen, als er sagte: «Ein Glück, daß ich euch danach gefragt habe! Ich wäre doch glatt am Ostermorgen im Bett liegengeblieben — später, wenn ich Vati bin und selber Kinder habe!»
Nguyen thi Phi
Das Weihnachtslächeln
Ich bin eine Vietnamesin und lebe seit drei Jahren in Deutschland. Vor vier Jahren noch lebte ich in einem thailändischen Flüchtlingslager und wartete auf die Einreisegenehmigung nach Deutschland. Meine Cousine Lien, die schon seit vielen Jahren mit ihren Eltern
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